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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Schatz. Sehen wir uns morgen?«
    »Sicher«, sagte sie. »Ich rufe dich an, wenn ich ausgeschlafen habe.«
    Günter ging im Treppenhaus voran.
    Wir sind schon ein komisches Paar, Thomas und ich, dachte sie, während sie seinen Hintern fixierte. Er trägt mich auf Händen. Nur das, was angeblich alle Männer immer wollen, will er nicht.
    Sie traten auf die Straße. Günter griff in die Innentasche seines Jacketts und holte eine Schachtel Zigaretten hervor. Genüsslich steckte er sich eine an und inhalierte tief den Rauch.
    Wiebke war erleichtert. Einen Raucher hatte sie nie haben wollen. Dann lieber den unterkühlten Arzt.
    ***
     
    Der Buschfunk funktionierte ausgezeichnet. Kaum eine halbe Stunde nachdem Lydia tot aufgefunden worden war, hatte Fritjof davon gewusst. Er brauchte keine gerichtsmedizinische Untersuchung der Leiche, um zu wissen, dass sich bei ihr das Berufsrisiko der Bodypacker realisiert hatte. Sie hatte in gewisser Weise einen Arbeitsunfall erlitten.
    Fritjofs Trauer hielt sich in Grenzen. Seine Geschäftspartnerin war sie nur zum Schein gewesen, als Bodypackerin ersetzlich und als Freundin ohnehin nur eine der vielen, die kamen und gingen. Bei seinen Frauen war er ohnehin nicht ganz sicher, was sie mehr liebten: ihn oder seinen schier unerschöpflichen Vorrat an Heroin. Es hatte sich um eine Zweckgemeinschaft gehandelt. Fritjof besorgte das, was Lydia zum Leben brauchte. Dafür lebte sie mit ihm zusammen und schlief mit ihm. Eigentlich eine ganz normale Beziehung.
    Für Trauer hatte er auch keine Zeit. Spätestens Montag wären die Bullen bei ihm und würden wieder einmal unangenehme Fragen stellen. Bisher hatte er sich immer aus allen Verdächtigungen herauswinden können. Aber bei Lydia, immerhin die Tochter eines leibhaftigen Hauptkommissars, würden sie sicher sehr unangenehm werden. Er musste vorsichtig sein. Vielleicht war es an der Zeit, zu verschwinden. Endgültig.
    Andererseits: Bis dahin brauchte sein Vertrieb Ware. Ware, die gerade im Leichenschauhaus lag und später in der Asservatenkammer der Polizei gut bewacht und deshalb wertlos vor sich hin gammeln würde. Seine Kunden riefen schon, sie schrien geradezu nach Nachschub. Ein paar Tage würde der Vorrat bei Christof noch reichen. Dann musste neuer Stoff her. Er hatte darum Christof, seinen »Vertriebschef«, zu sich bestellt, um die Strategie nach Lydias Tod und dem Ausfall der dringend benötigten Lieferung zu besprechen. Christof war auffallend nervös. Er sah schlecht aus. Auf der aschfahlen Gesichtshaut bildeten sich in regelmäßigen Abständen dicke Schweißtropfen, die er sich ebenso regelmäßig wieder abtupfte.
    Fritjof führte Christofs schlechten Zustand auf Entzug zurück, obwohl er sich fragte, warum ausgerechnet er, der an der Quelle saß, sich solchen Qualen aussetzte. Wollte er etwa clean werden? Vielleicht war Christof aber auch einfach nur langsam am Ende.
    »Du siehst schlecht aus«, sagte Fritjof. »Wie heißt es in der Gastronomie doch so schön: Wenn der Wirt sein bester Gast ist, ist die Kneipe so gut wie pleite.«
    »Mir geht es ausgezeichnet«, log Christof und wischte sich wieder die Schweißperlen aus dem Gesicht.
    »Ganz wie du meinst«, erwiderte Fritjof kühl. »Die Situation ist durch Lydias Unfall nicht schön, aber lösbar. Ich habe mit Holland gesprochen. Wir können in einer Woche neue Ware erhalten. Eine neue Spedition habe ich auch schon gefunden. Nach meiner Buchhaltung reichen deine Vorräte noch für vier bis fünf Tage. Ich schlage also vor, dass du die vorhandene Ware von jetzt zehn Prozent Konzentration auf sieben bis acht Prozent streckst. Damit überbrücken wir die zwei Tage. Genial, nicht wahr?«
    »Ja sicher«, sagte Christof tonlos. »Es gibt aber keine Ware mehr«, fügte er dann leise hinzu. »Oder nur noch so viel, dass ich unsere Verteiler mit Stoff für morgen und vielleicht übermorgen bestücken kann. Dann ist Feierabend.«
    Fritjof schaute Christof verständnislos an.
    »Was sagst du da?«, fragte er, während er auf seinen Barschrank im Art-déco-Stil zusteuerte, einen Whisky-Tumbler herausnahm und sich mindestens einen doppelten dreißig Jahre alten Glenfiddich eingoss, um ihn sofort hinunterzustürzen. Der scharfe Alkohol brannte in seiner Kehle und seiner Speiseröhre, verbreitete dann aber dieses wärmende und beruhigende Gefühl im Magen.
    »Ich sagte, dass unser Lager so gut wie leer ist.« Christof wischte sich wieder den Schweiß von der Stirn.
    »Das verstehe ich

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