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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Idee. Erstens wären ihm dann ebenfalls ein paar Jahre Knast sicher. Und zweitens wusste Christof zwar, dass Fritjof der Kopf des Heroinhandels in Rostock war, konnte es aber nicht beweisen.
    Er würde es einfach abstreiten und als Hirngespinst eines drogenabhängigen Junkies abtun, der nur durch die Offenbarung einer angeblichen Verschwörung punkten und für sich ein mildes Urteil herausschinden wollte. Es würde keine halbe Stunde dauern, bis sein Anwalt ihn da herausgeholt hätte. Und nur er könnte den Anwalt bezahlen, der auch Christof wieder rauspauken würde.
    »Wisst ihr was?«, fragte der Polizist süffisant. »Mir ist das zu kompliziert. Wir buchten euch bis Montag ein. Beide. Die Kollegen von der Mordkommission werden sich ohnehin mit euch beschäftigen wollen.«
    »Haben Sie einen Haftbefehl?«
    »Verdacht auf gewerbsmäßigen Rauschgifthandel.«
    »Sehen Sie hier irgendwo Drogen?«, fragte Fritjof scheinheilig.
    »Nein«, brummte der Polizist. »Aber wenn die Freundin eines stadtbekannten Gastronomiebetreibers als tote Bodypackerin in Rostock ankommt, reicht mir das als Verdacht aus. Freut euch auf achtundvierzig Stunden Vollpension«, sagte der Polizist.
    »Das werden Sie bereuen.«
    »Das sagen alle«, antwortete der Beamte gleichmütig.
    »Dann wird es wohl stimmen«, sagte Fritjof noch, als die Handschellen klickten.
    ***
     
    Wiebke wollte eigentlich ausschlafen. Sie hatte sich gestern nach dem Ende des Abends bei Thomas noch vom Nachtprogramm und einer Flasche Martini betäuben lassen und war um halb zwei ins Bett gefallen. Doch nach viel zu wenigen Stunden läutete es Sturm.
    Mühsam erwachte sie, wälzte sich durch die Kissen und schielte schlaftrunken zum Wecker. Acht Uhr sechsundzwanzig. Wer um alles in der Welt weckte sie um diese unchristliche Zeit an einem Sonntag? Wieder ertönten Salven der Türglocke. Fluchend erhob sie sich, tapste nackt ins Bad, nahm den Bademantel, erschrak vor sich selbst, als sie ihren verschlafenen, zerwühlten Anblick im Spiegel wahrnahm, und ging zur Tür.
    Sie fror. Sie stand barfuß auf den kalten Steinfliesen des kleinen Flures ihrer Wohnung und lugte durch den Spion.
    »Thomas?«, entfuhr es ihr in einer Mischung aus Überraschung und Freude. Sie öffnete die Tür. Ihr völlig aufgelöster, fröhlicher, fast euphorischer Freund stürmte herein, drückte sie an sich und strahlte über das ganze Gesicht.
    »Mein Gott, Thomas«, sagte sie. »Was ist denn los? Im Moment ist mir gar nicht nach guter Laune zumute.«
    »Er hat sich gemeldet«, sagte Thomas immer noch atemlos. »Er lebt und will sich mit mir treffen!«
    Seine Fröhlichkeit war ansteckend. Wiebke hatte den disziplinierten und immer sachlichen Thomas noch nie so aufgewühlt gesehen.
    »Wer hat sich gemeldet? Mit wem willst du dich treffen?«, fragte sie, als sie im Wohnzimmer waren. Sie setzte sich im Schneidersitz auf das Sofa und erlaubte sehr aufschlussreiche Blicke auf ihren Körper unter dem Bademantel. Thomas bemerkte das gar nicht, was Wiebke allerdings wenig überraschte.
    »Daniel«, rief er. »Er hat mich heute Nacht angerufen. Wir haben stundenlang geplaudert.«
    »Dein Bruder?«, fragte Wiebke. Sie war enttäuscht, vielleicht sogar ein wenig eifersüchtig. Sie hätte es nie wagen dürfen, die Nachtruhe des viel beschäftigten Thomas zu stören. Aber sein krimineller Bruder durfte das. Der Anruf löste bei ihm sogar Emotionen aus, die sie bei ihm noch nie gesehen hatte. Am allerwenigsten ihretwegen.
    Thomas nickte ungestüm. »Ich habe dir doch von ihm erzählt. Er verschwand vor vielen Jahren, kaum dass er erwachsen war. Ich wusste nur, dass er auf irgendeinem Schiff angeheuert hatte, und ging davon aus, dass er Deutschland und alle Bindungen hier endgültig hinter sich lassen wollte. Ich hatte mich damit abgefunden, von ihm nie wieder etwas in diesem Leben zu hören. Ich hatte sogar Angst, dass er gestorben sein könnte. Und jetzt das!«
    »Schön, das freut mich für dich.« Wiebke sagte es mechanisch. Irgendwie konnte sie Thomas’ Freude nicht teilen. Immerhin hatte Daniel seine Eltern erschlagen. Miserable Eltern zwar, aber immerhin war er ein Mörder, der eiskalt zwei Menschen im Schlaf erschlagen hatte. Auf und über so einen freute man sich nicht. Jedenfalls sie nicht. »Was macht er denn so?«, fragte sie mehr aus Höflichkeit als aus Interesse.
    »Wie ich vermutete: Er fährt zur See. Sein Heimathafen ist jetzt Hamburg. Er ist nur alle paar Wochen in Deutschland. Die übrige Zeit

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