Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
Vom Netzwerk:
Kollegen, der den Zugbegleiter ins Kommissariat gebracht hatte, wo der Mann jetzt im Verhörzimmer schon auf sie wartete. Auch ihr eigener Wagen parkte vor dem Bahnhof.
    Ihr tat es aber gut, ein bisschen frische Luft zu schnappen. Während sie auf dem Bürgersteig die Rosa-Luxemburg-Straße hinaufschlenderte, ordnete sie ihre Gedanken. Wer könnte ein Interesse an Lydias Tod haben? Hatte es vielleicht etwas mit dieser ominösen »Hansen Gastronomieholding« zu tun? Die Visitenkarte, die man bei Lydias Sachen gefunden hatte, wies sie als Geschäftsführerin einer GmbH & Co KG aus. Es lag auf der Hand, dass diese Angabe nicht der Wahrheit entsprechen konnte. Nicht mal wenn Lydia nach dem Entzug zunächst clean geblieben sein sollte, wäre sie befähigt, eine solche Position auszufüllen. Wiebke wusste von Wolfgang, dass Lydia keinen Schulabschluss, geschweige denn eine Ausbildung hatte. Möglicherweise gab es die Firma gar nicht. Doch wozu diente dann die Visitenkarte? Und was hatte Lydia in Amsterdam gewollt?
    Hatte sie vielleicht sogar tiefer im Drogensumpf gesteckt, als sie alle geglaubt hatten? War sie am Ende eine Mittäterin, die selbst Drogen verkaufte? Wiebke war Lydias Kleidung aufgefallen. Sie hatte – ganz im Gegensatz zu den anderen Drogenjunkies, die Wiebke in ihren vielen Dienstjahren gesehen hatte – geschmackvolle und vor allem teure Markenklamotten getragen. Irgendwo musste das Geld dafür schließlich herkommen.
    Als Wiebke auf der Höhe der Thomas-Mann-Straße war, hatte sie eine Idee, nahm ihr Handy und rief einen Kollegen von der Drogenfahndung an. Sie erzählte ihm, was passiert war, und bat ihn, ihr einige Fragen zu beantworten.
    »In etwa einer halben Stunde«, sagte sie. »Bei mir im Büro. Ich muss vorher noch eine Vernehmung machen. Und danke!«
    Sie erreichte das Gebäude, ging die drei Stockwerke zu Fuß über das Treppenhaus und hörte sich die Geschichte des Zugbegleiters, der sich als Kai Borchert vorstellte, noch einmal Punkt für Punkt an. Aber mehr, als er den Kollegen am Bahnhof erzählt hatte, konnte er ihr auch nicht sagen. Wiebke bedankte sich und bat den Mann, noch zu warten, bis das Schreibzimmer die Tonbandaufzeichnung seiner Vernehmung getippt hatte, damit er das Protokoll unterzeichnen konnte. Daraufhin verabschiedete sie sich und ging in ihr Büro.
    »Hallo, Martin«, begrüßte sie ihren Kollegen, der schon auf sie wartete. »Schön, dass du sofort Zeit hattest.«
    »Ist doch selbstverständlich«, antwortete Martin Hennsler, der Leiter der Drogenfahndung. »Schon eine richtige Scheiße, das mit der Tochter vom Wolfgang.«
    Wiebke stimmte wortlos zu. Sie überlegte, wie sie am besten beginnen sollte.
    »Aber so was musste ja irgendwann passieren …«
    »Wieso?«, fragte Wiebke wie elektrisiert. Hennsler hatte jetzt ihre volle Aufmerksamkeit. »Kanntet ihr Lydia etwa? Professionell, meine ich?«
    »Sagen wir so.« Martin Hennsler schnaufte und strich sich durch seinen Bart, der den Mittvierziger gut zehn Jahre älter wirken ließ. »Es war uns bekannt, dass sie an der Nadel hing. Aber nicht sie war für uns interessant, sondern ihr Freund, ein gewisser Fritjof Hansen.«
    »Hansen?«, fragte Wiebke. »Wie in ›Hansen Gastronomieholding‹?«
    »Genau. Das ist seine Firma. Ein legales Gewerbe. Wir glauben aber, dass der Laden nur eine Tarnung ist und Hansen hinter dem Drogenhandel hier in der Gegend steckt.«
    So war das also. Die Firma gab es wirklich, und eine Verbindung zum Drogenhandel war … ja, was war sie? Belegt? Oder nur vermutet?
    »Was heißt ›glauben‹?«, fragte Wiebke.
    »Wir sind sogar sicher. Aber der Typ ist so aalglatt, dass wir ihn bisher nicht dingfest machen konnten.«
    »Und Lydia war seine Freundin?«
    Hennsler nickte heftig.
    Wiebke dachte nach. Lydia war mit einem halbseidenen Geschäftsmann liiert gewesen. Mit einem, der im Verdacht stand, im Drogenhandel ein ganz großes Rad zu drehen. Und obwohl die Kollegen von der Drogenfahndung sie bisher nur als Konsumentin auf dem Schirm gehabt hatten, war Lydia den neuen Hinweisen zufolge womöglich sogar seine Geschäftspartnerin gewesen.
    »Und wir haben gar nichts gegen Hansen in der Hand?«
    »Viele Verdachtsmomente, jede Menge Ermittlungsakten, aber leider nichts Handfestes. Wie so oft«, antwortete Hennsler resigniert.
    »Kann ich die Akten haben?«, fragte Wiebke.
    »Natürlich. Wann brauchst du sie?«
    »Subito« , erwiderte Wiebke. »Wie immer.«
    »Ich lasse sie dir sofort bringen«,

Weitere Kostenlose Bücher