Kalte Fluten
leisten, sich den Wünschen seiner Mandanten zu widersetzen. Sie waren ihm im Grunde auch gleichgültig. Nur verlieren hasste er.
Fritjof steckte die Zigarette wieder ein. »Sehen Sie, Herr Hansen, wir behaupteten, dass Sie eine Auseinandersetzung mit Christof Lüerßen hatten, weil Sie sich um eine Frau gestritten haben.«
»Und? Zweifeln Sie daran?«
»Ich zweifle nie an meinen Mandanten. Es ist aber mehr als naheliegend, dass Franke oder einer seiner Kollegen auf die Idee kommen, diese Frau zu vernehmen. Das macht die Sache gefährlich. Auch wenn Sie darauf vertrauen, dass sie in Ihrem Sinne aussagt, könnte sich die Sachlage ganz schnell ändern, wenn sie einmal Ärger mit Ihnen hat.«
Fritjof nickte bedächtig. Die Lösung war einfach. Sehr einfach sogar.
»Und Ihr Christof ist ebenfalls ein Wackelkandidat. Ein Junkie. Was ist, wenn er mal clean werden sollte? Oder schlimmer, wenn er keine Drogen mehr bekommt? Dann wäre es doch zumindest denkbar, dass er böse Geschichten über Sie erzählt, die wir nur mit viel Mühe widerlegen können.«
Mit einem Ruck kam das Fahrzeug zum Stehen. Inmitten seiner Ausführungen hätte Laufmann fast eine rote Ampel übersehen. Fritjof schnellte nach vorn. Der Sicherheitsgurt hielt ihn zurück. Als ob dieser Ruck bei ihm einen Geistesblitz ausgelöst hätte, lächelte er.
Die Lösungen für seine Probleme waren einfach. Wirklich einfach sogar.
Er nahm sein Handy, rief Christof an und bestellte ihn zu sich nach Hause. Danach telefonierte er mit Belinda, die für ihn als Animierdame in einer seiner Bars arbeitete. Sie freute sich offensichtlich über seinen Anruf und war gewillt, Fritjof zu empfangen.
Laufmann nickte beifällig und fragte: »Wohin?«
»Nach Ribnitz-Damgarten, Danziger Straße 4.«
Laufmann zog die Augenbrauen hoch. Er kannte diese Gegend gut genug, um zu wissen, dass die Adresse eine weniger gute war. Vornehmlich alte, hässliche Plattenbauten aus der untergegangenen Ära der DDR, errichtet in den frühen Siebzigern, später mühsam den Erfordernissen vernünftigen Wohnens angepasst – teilsaniert, wie es in den Immobilienanzeigen hieß. Nicht gerade ein Ort, an dem er sich gerne aufhielt – und schon gar nicht mit seinem nagelneuen Jaguar.
»Keine Sorge, Belinda wird nicht mehr lange da wohnen«, antwortete Fritjof, als ob er die Gedanken seines Rechtsbeistandes gelesen hätte.
»Was Sie von dieser Dame wollen, ist mir klar. Aber was machen Sie mit Christof?«, fragte Laufmann. Sein Jaguar fiel zunehmend unangenehm auf, je näher sie ihrem Ziel kamen. Die Trabbis und Wartburgs der neunziger Jahre waren inzwischen verschwunden. Aber die alten Westautos machten das Straßenbild auch nicht schöner.
»Ich werde mit ihm ein Gespräch unter Männern führen. Ich denke, es ist das Beste für uns alle, wenn Christof verschwindet. Dabei werde ich ihm helfen. Und dann sollte ich auch von der Bildfläche verschwinden. Jedenfalls für eine gewisse Zeit.«
»Das klingt vernünftig«, sagte Laufmann und vermied es tunlichst, Fritjof zu fragen, was er konkret unter »verschwinden« und speziell unter »dabei helfen« verstand.
Sie waren da.
Wortlos verabschiedeten sich Mandant und Anwalt.
Laufmann war froh, sich und sein Auto bald wieder in besseren Gegenden zu wissen. Außerdem musste er in sein Büro. Frankes Entgleisungen bei der Vernehmung mussten noch in eine saftige Dienstaufsichtsbeschwerde gegossen werden.
***
Sie empfing ihn so, wie sie meinte, dass er es erwartete. Fritjof hatte nichts dagegen. Auch wenn das hauchdünne Negligé, die wasserstoffblondierten Haare, die mit viel Silikon aufgefüllten dicken Brüste, das Knallrot ihres Lippenstiftes und eigentlich ihr ganzes Auftreten etwas zu laut, etwas zu deutlich und überhaupt nicht damenhaft waren.
In der ganzen Wohnung lag ein Duft, wie er sonst nur in Bordellen vorkommt. Eine Mischung aus süßem, schwerem Parfüm, säuerlichem Duft nach Wein oder Sekt, kaltem Zigarettenrauch und Lustschweiß. Ein olfaktorischer Zentralangriff auf das männliche Lustzentrum, dem sich nur Eunuchen, katholische Priester oder Homosexuelle entziehen können. Fritjof war nichts davon.
Sie zog ihn wortlos in ihr Schlafzimmer, dessen dominierender Bestandteil ein in der Mitte stehendes, rundes Bett war.
Sie benahm sich scham- und hemmungslos. Ihre Aufforderungen waren vulgär. Das Stöhnen aus ihrem Mund wurde immer lauter. Es war echt oder zumindest so professionell inszeniert, dass es von echter Ekstase
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