Kalte Fluten
Verhör. »Was werfen Sie meinem Mandanten vor?«
Wolfgang räusperte sich. Es war überdeutlich, dass das Heft ein anderer in der Hand hielt. »Wie Sie wissen, wurde meine Tochter als Drogenkurier missbraucht. Und Ihr Mandant steckt hinter den Drogengeschäften in dieser Stadt.«
Fritjof Hansen wollte aufspringen, doch Laufmann hielt ihn zurück. »Herr Franke«, sagte er lächelnd – der Weisheit folgend, dass Lächeln die effektivste Art ist, seinem Gegenüber die Zähne zu zeigen. »Wir alle verstehen Ihren Schmerz. Wir wissen auch, dass Sie von der Liaison Ihrer Tochter mit meinem Mandanten nicht viel halten können. Das gibt Ihnen aber keinesfalls das Recht, unbewiesene und haltlose Unterstellungen gegen meinen Mandanten zu äußern. Das haben schon andere vor Ihnen versucht. Erfolglos, möchte ich betonen. Oder haben Sie neue Beweise?«
»Meine Tochter war drogensüchtig«, sagte Wolfgang mit kaum verhohlener Unterdrückung der Tränen in seiner Stimme. »Das kann Ihnen doch nicht verborgen geblieben sein«, fauchte er dann Fritjof an.
»Natürlich nicht«, antwortete Fritjof provozierend gelassen. »Ich wusste, dass Lydia an der Nadel hing. Ich habe alles versucht, um sie davon loszubekommen. Aber ich habe es nicht geschafft. Genauso wenig wie Sie. Da haben wir was gemeinsam. Nur dass Sie im Gegensatz zu mir schuld daran waren, dass sie überhaupt drogensüchtig wurde. Wer musste denn unbedingt Karriere machen und hat auf seine Familie geschissen?«
Wolfgang sprang auf und ging Hansen an die Gurgel.
»Du mieses Schwein«, brüllte er. Hass und Rachegedanken hatten es kurzzeitig geschafft, seine tiefe Traurigkeit zu verdrängen. »Das wirst du bereuen!«
»Herr Hauptkommissar«, rief Laufmann dazwischen. »Strapazieren Sie bitte nicht mein Verständnis für Ihre Situation!«
Schnaufend setzte sich Wolfgang wieder hin. Es war inzwischen sonnenklar, wer die tragische Figur des Stücks werden würde.
»Woher kennt Hansen Wolfgangs Lebensgeschichte?«, fragte Günter.
»Lydia wird sie ihm erzählt haben. Ich geh da jetzt rein. Das kann man doch nicht mit ansehen, wie die beiden Wolfgang demontieren.«
»Bleib hier«, zischte Günter. »Da muss Wolfgang allein durch. Glaub mir, diese Szene hat Laufmann mit Hansen besprochen und geprobt. War doch zu erwarten, dass Wolfgang explodiert, wenn man ihn auf Lydias Drogenhistorie anspricht. Aber er wollte die Ermittlungen ja unbedingt selbst führen.«
Widerstrebend setzte sich Wiebke wieder auf den kahlen Holzstuhl und verfolgte mit einem schlechten Gefühl den weiteren Fortgang des Verhörs.
»Ich entschuldige mich für meine Entgleisung«, sagte Wolfgang tonlos.
»Geschenkt«, sagte Laufmann gönnerhaft. »Darüber reden wir ein anderes Mal. Bleiben wir bei den Fakten des Falles. Was außer den, so möchte ich sagen, üblichen Verdächtigungen haben Sie gegen meinen Mandanten vorzubringen?«
»Wir haben ihn zusammen mit einem Dealer festgenommen, nachdem sich beide eine handfeste Schlägerei geliefert hatten.«
»Mit wem haben Sie ihn festgenommen?«
»Zusammen mit Christof Lüerßen, einem Dealer«, wiederholte Wolfgang trotzig.
Laufmann lächelte ironisch. »Was Sie sicher beweisen können! Er hat mal gedealt. Von neuen Straftaten ist mir nichts bekannt. Oder irre ich mich, Herr Hauptkommissar?«
Wolfgang biss sich auf die Lippe. »Wir haben ihn nach einer Prügelei mit einem im Verdacht des Drogenhandels stehenden Mann festgenommen«, beharrte er.
»Das klingt schon besser und wird von meinem Mandanten auch gar nicht bestritten«, bemerkte Laufmann, der sich bei diesen Worten Notizen machte und nicht einmal vom Blatt aufblickte.
»Da liegt doch der Zusammenhang«, schrie Wolfgang. »Sie treffen sich mit einem Drogendealer. Warum denn sonst, wenn es nicht um Drogen geht?«
»Wenn Sie das noch einmal sagen, werde ich laut«, brummte Laufmann.
Wolfgangs professionelles Hirn sagte ihm, dass er keine Chance hatte. Aber er war auf der richtigen Spur. Er hatte den Verantwortlichen für den Tod seiner Tochter gefasst. Hansen saß ihm gegenüber. Er durfte ihn nicht wieder laufen lassen.
»Und warum sollte Lydia sonst in Amsterdam gewesen sein, wenn nicht, um für Sie den Drogennachschub zu organisieren?«
»Mich kotzen Ihre Unterstellungen an«, echauffierte sich Fritjof. »Lydia hat in Amsterdam eines meiner Lokale geführt, das ›Naked Boobies‹.« Plötzlich lächelnd, fügte er hinzu: »Wenn Sie auf dicke, nackte Titten stehen, wäre es
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