Kalte Fluten
wurden Sie auf Schritt und Tritt verfolgt. Die Fotos sind recht gut gelungen. Wenn Sie einmal einen Blick darauf werfen wollen?« Er öffnete seine Aktentasche und holte die in Serie geschossenen Fotos heraus. »Hier sieht man Sie, wie Sie in der Filiale der Volks- und Raiffeisenbank in der Sandstraße Ecke Pferdemarkt hunderttausend Euro von Ihrem Festgeldkonto abheben. Exakt einhunderttausend übrigens, wie uns Ihre Bank bestätigt hat. Danach haben Sie das Geld in Ihrem Auto in braunes Packpapier gewickelt und in den von mir genannten Papierkorb gesteckt. Alles wunderschön dokumentiert.«
Als ob er die Fotos des letzten Jahresurlaubes zeigen würde, reichte er dem sprachlosen Kleinert die Bilder eins nach dem anderen.
»Zwei Beamte der Rostocker Kriminalpolizei haben das Päckchen gesichert und dessen Inhalt gezählt. Es bleibt natürlich Ihr Geld, Herr Kleinert. Es ist nur beschlagnahmt, genauso wie wir Ihre sämtlichen Privat- und Geschäftskonten eingefroren haben.«
»Wieso?«, presste Kleinert heraus.
»Nun, Ihr Ansinnen, ich solle Sie aus der Sache herauspauken, war eine schwere Beleidigung meiner Berufsehre. Kein Angebot könnte mich jemals dazu bringen, dass ich meinen Job als Beamter aufs Spiel setze. Ich bin nämlich nicht bestechlich.«
Kleinert schaute Günter wie versteinert an. Ein schlechter, ein geradezu miserabler Jurist führte ihn gerade nach allen Regeln der Kunst vor. Er verlor auf der ganzen Linie.
»Ich wollte dich nicht kaufen, ich wollte dich erpressen, du Mistkerl.«
»Womit denn?«, fragte Günter scheinheilig.
»Du hast dir mit meiner Hilfe das zweite Examen erschlichen.«
»Das ist doch Quatsch. Zugegeben, Sie hatten versucht, mich mit dieser Spickzettelgeschichte einzuschüchtern. Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen. Und der Generalstaatsanwalt hat sich köstlich darüber amüsiert. Wissen Sie, was er gesagt hat?«
»Nein«, sagte Kleinert leise.
»Er sagte, das sei der typische Fall eines untauglichen Versuchs mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt. Außerdem, mein lieber Herr Kleinert – Sie werden verstehen, dass ich nunmehr beim Sie bleibe: Wenn Sie irgendetwas in der Hand gehabt hätten, wozu haben Sie mir dann noch hunderttausend Euro angeboten und nachweislich gezahlt? Das ist doch widersinnig.«
»Du brauchtest das Geld, um deinen Chef zu bestechen.«
»Ich warne Sie, Herr Kleinert. Wenn Sie mich beleidigen, dann kann ich das aus alter Freundschaft ignorieren. Aber den General für bestechlich zu halten und ferner zu behaupten, ich würde Geld annehmen, um ihn zu bestechen, macht die Sache für Sie nur noch schlimmer.«
»Du weißt, dass es stimmt. Du hast den Inhalt deiner Akte ausgetauscht.«
»Von welcher Akte redet er da eigentlich, Frau Sollich?« Er behandelte Kleinert wie einen kleinen, unmündigen Schuljungen.
»Der Beschuldigte ließ sich dahingehend ein«, begann sie im wunderschön gestelzten Bürokratendeutsch, »dass er Unterlagen hätte, die beweisen würden, dass Sie beim zweiten Staatsexamen geschummelt haben. Herr Kleinert hat in meiner Anwesenheit den Safe geöffnet, den fraglichen Ordner herausgenommen und mir den Beweis dafür vorgelegt, dass er für dreitausendfünfhundert Mark Spickzettel für Sie geschrieben hat.«
»Haben Sie im Büro Einbruchsspuren gefunden?«
»Nein.«
»Sind am Safe irgendwelche Spuren unsachgemäßer Öffnung?«
»Nein.«
»Herr Kleinert, ich glaube, Sie sind nervlich etwas angespannt. Ich kenne da einen hervorragenden Psychiater. Ich gebe Ihnen gern seine Telefonnummer, wenn Sie wollen. Nur nützt die Ihnen die nächsten fünf bis sechs Jahre nichts. Er macht nämlich keine Hausbesuche im Knast. Und fünf bis sechs Jahre sind das Mindeste, was ich erreichen werde. Darauf können Sie, verzeihen Sie die Wortwahl, gepflegt einen lassen.«
»Herr Oberstaatsanwalt«, sagte Kleinert devot. »Kann ich ein paar Minuten allein mit Ihnen reden?«
Günter nickte Wiebke zu.
»Ich bleibe in der Nähe«, sagte sie und fügte an Kleinert gewandt hinzu: »Und Sie versuchen es gar nicht erst durchs Fenster. Ihr Grundstück ist hermetisch abgeriegelt.«
»Warum, Günter? Warum?«, fragte Kleinert, als sie allein waren.
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Warum vernichtest du mich?«
»Ich hätte dir möglicherweise im Rahmen des rechtlich Zulässigen geholfen, wenn du mich darum gebeten hättest. Das hätte dir das eine oder andere Jährchen erspart. Aber als du mich erpressen wolltest, da war für
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