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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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mich der Ofen aus. Wie du mir, so ich dir. Jetzt trifft dich die volle Härte des Gesetzes, verstärkt durch die Wucht, die ich dieser Waffe durch meine Erfahrung verleihen kann.«
    Kleinert stand auf und starrte aus dem Fenster. Schräg gegenüber sah er die Kirche St. Marien, aber auch göttlicher Beistand würde ihm jetzt nicht mehr helfen. Sein Blick wanderte zur Skulptur des Archimedes. Doch es war nicht er, der erleichtert »Heureka« rufen konnte. Es war Günter. Langsam drehte Kleinert sich um und ließ seinen Blick durch sein Büro schweifen. Er nahm Abschied. Dann ging er wieder zur holzvertäfelten Wand und schob das Element beiseite, das die Bar verdeckte. »Du erlaubst?«, fragte er.
    »Natürlich.«
    Kleinert genoss den Weinbrand. Er sah Günter tief in die Augen. »Gratulation«, meinte er schließlich. »Ich habe dich unterschätzt. Ich habe mich überschätzt. Dein Sieg.« Er schenkte sich noch einmal nach, prostete Günter zu und trank.
    Günter drehte sich wortlos um, öffnete die Tür und rief Wiebke herein.
    »Frau Sollich«, sagte er mit einem unendlich zärtlichen Blick, der dem konsternierten Kleinert allerdings entging. »Bitte sorgen Sie für die Festnahme von Herrn Kleinert. Die hier sichergestellten Unterlagen bitte ich Sie in mein Büro bringen zu lassen.«
    »Selbstverständlich, Herr Oberstaatsanwalt. Das mache ich doch gern.«
    »Das Beste für Sie, Herr Kleinert, wäre ein Geständnis«, fügte er abschließend hinzu. »Aber ich empfehle Ihnen zunächst ein ausführliches Gespräch mit Ihrem Rechtsanwalt.« Er wandte sich zum Gehen.
    »Sie denken an den Termin heute Abend?«, fragte Wiebke ihn, bevor er das Büro verließ.
    »Selbstverständlich.«
    ***
     
    Wiebke war schon bei Randolf in der Datsche, saß im Sessel der Sitzgruppe und umklammerte ihr Glas. Sie warteten auf Günter, dessen Berufsleben heute zum zweiten Mal begonnen hatte. Sie wollten diesen Sieg feiern. Einen Sieg, der ohne Randolf nicht möglich gewesen wäre.
    Es klingelte. Randolf öffnete die Tür, Günter trat ein und nahm sichtlich erleichtert im zweiten Sessel Platz. Er stellte seine Tasche daneben und löste die Krawatte in einem befreienden Akt.
    »Das waren die schlimmsten Tage meines Lebens. Und ich weiß, wovon ich spreche, immerhin habe ich fünfmal ein juristisches Staatsexamen gemacht.«
    »Viermal, um genau zu sein«, warf Randolf ein. »Das fünfte Mal hätte Sie fast den Hals gekostet. Nach zwanzig Jahren und ein paar Monaten.«
    »Eben. Und weil ich Ihnen, Herr Sollich, so unendlich viel verdanke, möchte ich Ihnen etwas schenken.«
    Günter holte einen etwa zigarrenkistengroßen Würfel aus seinem Koffer und gab ihn Wiebkes Onkel.
    Der schüttelte den Kopf. »Ich stand in Wiebkes Schuld, also habe ich Ihnen geholfen. Sie schulden mir nichts.«
    »Nehmen Sie es«, sagte Günter fordernd. Wiebke nickte.
    Randolf nahm den Kasten, entfernte vorsichtig das silberne Geschenkpapier und öffnete das Behältnis.
    »Nein, unmöglich. Das nehme ich nicht an«, sagte er, konnte aber den Blick vom Inhalt kaum abwenden.
    »Zeig mal«, verlangte Wiebke. Sie sah hinein und lächelte. Günter wusste, was Randolf wert war.
    »Das ist eine Uhr von A. Lange, die Lange 31«, sagte Günter nicht ohne Stolz. »Nach allem, was Wiebke mir über Sie und Ihre Einstellungen erzählt hatte, ging ich davon aus, dass Sie eine Uhr aus deutscher, vornehmlich ostdeutscher Produktion bevorzugen würden. Ich hoffe, sie gefällt Ihnen.«
    »Die … die kostet doch mindestens …«, stammelte Randolf.
    »Sie haben mir das Leben gerettet. Ich will, dass Sie jeden Tag, wenn Sie die Uhrzeit ablesen, daran denken, dass es Wessis gibt, die wissen, wie man sich bedankt, selbst wenn ihnen ein dummer, rückständiger und reaktionärer Ossi helfen musste.«
    Randolf lächelte. »Du bist ein Arschloch. Genau so ein Arschloch, wie ich sie mag. Ich heiße übrigens Randolf.«
    »Ich bin Günter.«
    Randolf stand auf und holte aus einer Schublade in der Küche die Unterlagen, die fast Günters Karriere vernichtet hätten. Oder seinen Charakter, wenn er das getan hätte, was Johannes Kleinert von ihm verlangt hatte.
    Günter blickte auf die verblasste Tinte der alten Klausuren.
    Er nahm den Papierstapel und warf ihn in den Kamin. Dann nahm er sein Feuerzeug und zündete sie an. Erst langsam, dann aber immer schneller fraßen sich die Flammen durch die Blätter. Mehr und mehr wurden die Seiten zur bloßen Asche, die durch den Kamin nach oben

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