Kalte Freundschaft
vertreiben, betritt Nadine die Buchhandlung Scheltema am Koningsplein. Um sie herum türmen sich die aktuellen Bestseller, darüber prangen Plakate und Banner mit Autorenporträts.
Nadine mustert ihre künftigen Kollegen und stellt sich vor, wie es sein wird, wenn bald auch von ihr ein riesengroßes Foto hier hängt.
Veerle van Oostveens neuester Roman wird auf einem separaten Tisch im Eingangsbereich präsentiert.
Nadine seufzt. Wenn ihr Buch doch auch so gut ankäme!
Eine Viertelstunde sieht sie sich um, nimmt Bücher zur Hand, legt sie wieder weg, träumt mit offenen Augen.
Schließlich verlässt sie das Geschäft und biegt in die Keizersgracht ein. Auf zu Aurora!
Schon bald muss sie feststellen, dass sie sich versehentlich auf der falschen Seite mit den ungeraden Hausnummern befindet. Das bedeutet einen Umweg bis zur nächsten Brücke, die noch ein ganzes Stück
entfernt ist, danach muss sie auf der Gegenseite wieder zurück.
Sie beschleunigt ihre Schritte. Nicht auszudenken, wenn sie nun zu spät kommt, obwohl sie doch mehr als zeitig in Amsterdam war!
Punkt elf steht sie vor dem Verlagsgebäude mit dem schimmernden Messingschild, ziemlich außer Atem und leicht verschwitzt. Rasch zückt sie den Taschenspiegel, um ihr Aussehen zu prüfen, und wartet ein paar Minuten, bis ihr Herzschlag sich wieder beruhigt hat. Dann klingelt sie.
Durch die Gegensprechanlage wird sie nach ihrem Namen gefragt, und auf ihre Antwort hin geht der Türsummer.
Sie betritt einen schwarz-weiß gefliesten Vorraum mit hohen Glasvitrinen, in denen die Erfolgstitel des Verlags zu sehen sind. Eine faszinierende Vorstellung, dass ihr eigenes Buch bald darunter sein könnte!
Schritte auf der Treppe.
Eine Frau von Mitte dreißig mit schwarzer Kurzhaarfrisur kommt lächelnd auf sie zu und reicht ihr die Hand. »Hallo, Nadine. Ich bin Cynthia Goudriaan. Schön, dass Sie gekommen sind. Darf ich Ihnen die Jacke abnehmen?«
Cynthia hängt den Blazer an die Garderobe und fordert sie auf, ihr zu folgen.
Der freundliche Empfang macht Nadine Mut.
Cynthia führt sie die Treppe hinauf in ihr Büro. An den Wänden hängen Plakate von Buchcovern und großformatige Schwarz-Weiß-Fotos von Schriftstellern.
Eine ganze Wand wird von Regalen eingenommen, in denen die Bücher säuberlich aufgereiht stehen. Der Raum wirkt großzügig und ausgesprochen ordentlich.
Cynthia deutet auf den Besuchersessel vor ihrem Schreibtisch. »Nehmen Sie Platz, Nadine. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee oder lieber Tee?«
»Kaffee bitte, mit Zucker.« Nadine setzt sich und stellt ihre Tasche auf den Boden. Als sie ihr Manuskript auf dem Schreibtisch liegen sieht, wird ihr plötzlich mulmig. Unwillkürlich krampft sich ihr Magen zusammen.
Sie lehnt sich im Sessel zurück und versucht, sich zu entspannen, indem sie den Blick auf die sattgrünen Baumkronen vor dem großen Fenster richtet.
Wieder einmal staunt sie, wie viele Bäume es mitten in der Großstadt gibt. Früher residierte an den Innenstadtgrachten die Crème de la Crème von Amsterdam. Aus dieser Zeit stammen auch die weitläufigen, kunstvoll angelegten Gärten auf der Rückseite der Herrenhäuser. Heute beherbergen die Gebäude zumeist Firmen.
Cynthia kommt wieder, stellt zwei Tassen Kaffee ab und nimmt an ihrem Schreibtisch Platz.
»Am besten kommen wir gleich zur Sache«, meint sie. »Ihr Manuskript gefällt mir sehr gut, Nadine. Ich habe es regelrecht verschlungen.«
»Das freut mich.« Nadine lächelt.
»Schreiben Sie schon lange?«
»An diesem Buch habe ich ein Jahr lang gearbeitet. Schriftstellerin werden wollte ich schon immer, habe aber bisher leider nur Absagen bekommen. Aber man darf einfach nicht aufgeben. Deshalb habe ich einen Schreibkurs gemacht und dabei viel gelernt.«
»Bei Froukje Smit, nicht wahr? Ich kenne sie gut. Ihre Kurse sind erstklassig. Und durch Froukje haben Sie Eelco van Ravensberg kennengelernt?«
»Richtig. Er hat sich für mein Buch interessiert, meinte dann aber, dass es nicht in sein Verlagsprogramm passe. Deshalb hat er es weitergeleitet.«
»Dafür sind wir ihm von Herzen dankbar!« Cynthia tippt mit dem Kugelschreiber auf Nadines Manuskript. »Ihre Geschichte ist stimmig und liest sich hervorragend. Im Grunde muss man nicht mehr viel daran machen, höchstens ein paar Kleinigkeiten.«
»Und zwar?«
»Nichts Wesentliches, wie gesagt.« Cynthia macht eine wegwerfende Geste. »Hie und da finde ich den Text etwas zu explizit. Was mir aufgefallen
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