Kalte Freundschaft
ja, aber er hätte dir zur Seite stehen können!«
»Du bist doch da.« Nadine drückt seine Hand. Sie mag jetzt nicht über Eelco diskutieren, nicht hier.
Toms Miene entspannt sich, er macht keine kritischen Bemerkungen mehr.
Die Orgel setzt ein, und der Trauergottesdienst beginnt.
Nadine und Tom halten sich an den Händen.
Die Polizei führt eine ganze Reihe DNA-Tests durch, zunächst bei allen Männern aus Joellas Freundesund Bekanntenkreis, dann in ihrem Wohnviertel, dem Sportverein, an ihrem Arbeitsplatz. Da sich nichts ergibt, wird die Untersuchung auf sämtliche männlichen Einwohner Leidens ausgedehnt. Ebenfalls ohne Resultat, und allmählich tritt der Mord in dem Medien wieder in den Hintergrund.
»Es bedrückt mich, dass sie tot ist, während ich einfach so weiterlebe.« Nadine sitzt neben Eelco auf dem Sofa. Draußen regnet es. Sie haben eine DVD eingelegt, und vor ihnen auf dem Couchtisch stehen eine Flasche Rotwein, Brie und Baguettescheiben.
»Was willst du sonst machen? Das Leben geht nun mal weiter.«
»Schon, aber ich fühle mich mies dabei. Ich denke jeden Tag an sie, habe aber trotzdem das Gefühl, nicht genug zu trauern.«
»So eng befreundet wart ihr auch wieder nicht.«
»Nein. Aber sie fehlt mir - trotz allem.«
»Das ist völlig normal. So etwas braucht Zeit. Und dass du täglich an sie denkst, ist doch auch eine Art zu trauern.« Eelco nimmt ihre Hand. »Du brauchst keine Schuldgefühle zu haben, nur weil du noch am Leben bist, Nadine. Wenn es etwas gibt, das du aus
Joellas Tod lernen kannst, dann dass du jeden Moment deines Lebens genießen solltest.«
Nadine schneidet ein Stück Käse ab. »Ich weiß, aber das fällt mir schwer. Mich wundert auch, dass die Polizei noch gar nichts herausgefunden hat. Genau wie bei Melissa.«
»Vermutlich haben sie Anhaltspunkte, aber noch nichts Konkretes«, sagt Eelco. »Meinst du, es besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden Morden, weil sie so kurz hintereinander passiert sind? Hat Joella diese Melissa denn gekannt?«
»Nicht dass ich wüsste, jedenfalls hat Joella sie nie erwähnt. Aber Tom hat sie gekannt. Sie ist eine ehemalige Schülerin gewesen. Doch das muss nichts heißen. Leiden ist letztlich ein Dorf, jeder kennt jeden.«
Eelco hat aufmerksam zugehört.
»Vielleicht ist es eine blöde Frage«, beginnt er, »zumal ich ja weiß, dass du mit Tom gut befreundet bist. Aber hältst du es denn für völlig ausgeschlossen, dass er für Joellas Tod verantwortlich ist? Bekanntlich ist der Täter meist ein guter Bekannter oder gar Verwandter des Opfers.«
Nadine ist irritiert. Wie kommt Eelco nur auf diese absurde Idee?
»Tom hat doch überhaupt kein Motiv«, wendet sie ein. »Warum sollte er Melissa umbringen - und dann auch noch Joella? Man geht doch nicht erst mit der Person aus, die man töten will! Falls er Joella wirklich etwas antun wollte, hätte er dazu vorher reichlich Gelegenheit gehabt.«
»Du hat recht«, gibt Eelco zu. »Trotzdem, ich fände es besser, wenn du dich bei Tom etwas zurückhieltest.«
»Du meinst, ich soll ihm aus dem Weg gehen?«
»Ja«, sagt Eelco. »Genau das meine ich.«
25
An diesen Rat denkt Nadine, als sie mit Eelco bei ihren Eltern zum Abendessen eingeladen ist. Die beiden haben Joella zwar kaum gekannt, dennoch kommt der Mord ausführlich zur Sprache.
»Wenn du auch nur den leisesten Zweifel hast, was diesen Tom betrifft, dann halte dich von ihm fern«, meint Nadines Vater. »Geh auf keinen Fall ein Risiko ein.«
»Ich habe aber keine Zweifel«, sagt Nadine. »Ich kenne Tom. Er hat das nie und nimmer getan, und ich wüsste nicht, warum er Joella umbringen sollte.«
»Im Prinzip traut man doch niemandem so eine Tat zu«, sagt Nadines Mutter und wendet sich dann an Eelco: »Darf ich Ihnen noch etwas von dem Gemüsecurry geben?«
»Gern.« Eelco hält seinen Teller hin, und Anna tut ihm eine weitere Portion auf.
»In solchen Situationen ist man gezwungen, darüber nachzudenken, wie gut man seine vermeintlichen Freunde wirklich kennt. Und ob es die Sache wert ist, die Beziehung aufrechtzuerhalten«, gibt Nadines Vater zu bedenken.
»Paps, darüber brauche ich gar nicht erst nachzudenken! Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass Tom nichts mit den Morden zu tun hat. Sonst hätte die Polizei ihn ja wohl kaum laufen lassen. Und der DNA-Test hat auch nichts ergeben.«
»Reden wir über etwas Angenehmeres«, schlägt Anna vor. »Zum Beispiel über dein Buch, Nadine. Ich kann noch immer
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