Kalte Freundschaft
um.«
Nadine trinkt gerade einen Schluck Tee, als ihr Handy klingelt.
Es ist Sigrid.
»Ich habe heute Vormittag in der Redaktion angerufen, aber du warst nicht da. Wo hast du denn gesteckt?«, sagt sie.
»Ich war in der Stadt und habe für einen Artikel über Wandgedichte in Leiden recherchiert.«
Auf Sigrids erstauntes »Oh« hin sagt sie: »Ich glaube, die kennen nur wenige Leute hier. Es war jedenfalls interessant. Arnout hat mich begleitet.«
»Hat Eelco sich mal wieder gemeldet?«
»Vorhin hat er mir eine SMS geschickt. Er will mich auf dem Bücherball sprechen. Ich fürchte, dort kann ich ihm nicht aus dem Weg gehen.«
»Wie, du gehst zum Bücherball?«, ruft Sigrid. »Das ist fantastisch!«
»Ja, stell dir vor! Mit einer ganzen Gruppe Autoren.
Meine Verlegerin hat Karten organisiert. Ich bin so gespannt, meine ganzen Schriftstellerkollegen näher kennenzulernen. Und Arnout kommt auch mit.«
»Schon wieder Arnout? Bist du mit dem neuerdings befreundet?«
»Ich darf eine zweite Person mitbringen«, sagt Nadine. »Und da dachte ich, männliche Begleitung wäre doch nicht schlecht. Und sei es nur, um Eelco eins auszuwischen.«
»Gute Idee«, sagt Sigrid.
Sekundenlang ist es still, dann fasst Nadine sich ein Herz und fragt: »Sag mal, Sigrid, was für einen Eindruck hat Eelco auf dich gemacht? Er wirkte doch immer nett und zuverlässig, oder?«
»Eigentlich schon.«
Nadine wickelt eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. »Manchmal überlege ich, wie mein Leben aussehen würde, wenn Christiaan nicht verunglückt wäre«, sagt sie nachdenklich.
Keine Reaktion.
Dann sagt Sigrid unvermittelt: »Arnout ist ziemlich nett, stimmt’s?«
»Ja …« Nadine seufzt laut. »Ich glaube, er mag mich, aber mir ist das im Moment alles zu viel. Eine neue Beziehung kann ich mir beim besten Willen noch nicht vorstellen. Wenn ich wüsste, warum Eelco so plötzlich Schluss gemacht hat, käme ich besser damit zurecht. Aber so grüble ich ständig und hoffe, dass es sich doch wieder einrenkt.«
»Vielleicht will er dir beim Bücherball sagen, was der Grund war.«
Das vermutet Nadine ebenfalls. Und es löst zwiespältige Gefühle in ihr aus: Einerseits erhofft sie eine Aussprache, andererseits fürchtet sie, das Wiedersehen könnte ihr den Abend gründlich verderben.
Es läuft nicht nach Plan. Ich habe die Dinge nicht mehr, wie bisher, im Griff.
Was ich auch tue, immer sehe ich Nadines Gesicht vor mir und höre ihre Stimme. Ich will ihr nicht wehtun, aber es lässt sich nicht vermeiden. Wenn ich jetzt nicht rasch handle, ist alles verloren.
Eelco hat anscheinend nicht vor, sich von ihr fernzuhalten wie seine Vorgänger. Vermutlich glaubt er, sie auf dem Bücherball unbeobachtet sprechen zu können.
Über Beziehungen ist es mir gelungen, eine Eintrittskarte zu ergattern. Man muss nur die richtigen Leute kennen …
Er wird sich wundern, dass ich auch dort bin. Ganz zu schweigen von dem, was ihm dann blüht.
Aber Eelco ist nicht das einzige Problem. Marielle hat Verdacht geschöpft. Als ich ihr gestern in der Stadt zufällig über den Weg lief, zuckte sie erschrocken zusammen. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, ihr Misstrauen sei verflogen, aber das war ein Irrtum. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als zu handeln.
Eelco werde ich mir ohne jeden Skrupel vom Hals schaffen, bei Marielle hingegen sieht es anders aus. In gewissem Sinn ist es, als würde ich Nadine selbst umbringen - etwas, das hoffentlich niemals nötig sein wird. Aber da bin ich mir alles andere als sicher.
37
Die Stadsschouwburg am Amsterdamer Leidseplein ist hell erleuchtet. Ein Banner, auf dem in Großbuchstaben »Bücherball« steht, schmückt die Fassade, und der rote Teppich ist ausgerollt. Am Eingang drängen sich Reporter und Schaulustige, um einen Blick auf die illustren Gäste zu erhaschen, von denen manche zu Fuß kommen, während andere sich in einer Limousine vorfahren lassen.
An Arnouts Arm überquert Nadine auf hohen Hacken das Pflaster des Leidseplein. Sie war mit Verlagsmitarbeitern von Aurora und einer Gruppe Autoren essen. Arnout konnte nicht, wie geplant, dabei sein, weil er im letzten Moment noch einen wichtigen Artikel fertigstellen musste, doch um Punkt acht war er zur Stelle.
»Na, freust du dich?« Er lächelt ihr zu. In seinem hellen Anzug wirkt Arnout ausgesprochen attraktiv und elegant - ganz anders als in der Redaktion vom Leidsch Dagblad , wo er meist Jeans und Pullover trägt.
»Und wie!« Nadine lächelt
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