Kalte Freundschaft
Gläsern Wein auftaucht, verabschiedet sie sich eilig von Ruben.
Gemeinsam schlendern sie an Bücherständen, Bars und diversen Podien mit Musikern entlang. Als Nadine gerade einen Schluck Wein trinkt, wird sie von einer lebhaft plaudernden Gruppe gegen Arnout gepresst. Sie verliert kurz das Gleichgewicht. Sofort legt er den Arm schützend um ihre Taille und lässt sie auch nicht los, als sie einen Raum betreten, in dem es bedeutend ruhiger ist.
Als sie sich ein weiteres Getränk holen, treffen sie Cynthia und Veerle wieder. Einige Schriftsteller gesellen sich dazu, werden Nadine vorgestellt und gehen nach einem kurzen Plausch weiter.
Schließlich meint Veerle, sie hätten nun lange genug herumgestanden. »Wie wär’s? Kommt ihr mit auf die Tanzfläche?«
»Gern, da waren wir noch nicht«, stimmt Arnout zu. Nadine nickt, und sie stürzen sich erneut ins Gedränge, müssen jedoch alle paar Sekunden stehen bleiben, weil Veerle Bekannte trifft, die sie begrüßen und Nadine vorstellen will.
»Der Bücherball kommt mir vor wie ein gigantischer Stehempfang, bei dem die Promis sich selbst feiern«, raunt Arnout ihr zu. »Schau mal, da drüben ist Harry Mulisch.«
»Und dort der Moderator von RTL Boulevard .«
»Und da Leon de Winter.«
Sie lachen und stellen fest, dass sie Veerle verloren haben.
»Sie wollte doch zur Tanzfläche, lass uns dort nach ihr suchen. Ich hätte durchaus Lust, ein wenig das Tanzbein zu schwingen«, sagt Arnout.
Arm in Arm biegen sie um die Ecke, und plötzlich sieht Nadine ihn. Die unverhoffte Begegnung bringt sie völlig aus der Fassung. Abrupt bleibt sie stehen und versucht, der heftigen Gefühle, die in ihr aufwallen, Herr zu werden.
Eelco hat sie ebenfalls erspäht und lässt sie nicht mehr aus den Augen. »Nadine!« Er kommt auf sie zu, aber bis er sich einen Weg durch die Menge gebahnt hat, ist sie bereits weg.
»Alles in Ordnung?«, fragt Arnout besorgt.
Obwohl ihr zum Heulen ist, nickt sie.
»Möchtest du tanzen?«
Ein Blick auf die überfüllte Tanzfläche genügt. Nein, dazu hat sie keine Lust. Am liebsten wäre sie
jetzt allein zu Hause in ihrem Bett und würde sich die Decke über den Kopf ziehen. Mit einem Mal verspürt sie stechende Kopfschmerzen.
»Arnout«, sagt sie, »würde es dir etwas ausmachen, wenn wir gehen?«
38
»Da seid ihr ja!« Veerle steuert mit einer Gruppe Autoren im Schlepptau auf sie zu. »Wir haben euch gesucht. Los, jetzt wird getanzt!«
Arnout wirft Nadine einen fragenden Blick zu, und sie nickt. Was soll sie auch zu Hause? Sie ist auf dem Bücherball - was spricht dagegen, den Abend zu genießen?
Jemand drückt ihr ein Glas in die Hand, und sie nimmt hastig ein paar Schlucke Wein, bevor sie sich von den anderen zur Tanzfläche schleppen lässt.
Ganz einfach ist es nicht, im langen Abendkleid und auf hohen Absätzen zu tanzen. Als sie sieht, dass Veerle kurzerhand die Schuhe auszieht, folgt sie ihrem Beispiel.
Aus den Augenwinkeln registriert sie Eelco am Rand. Über die Köpfe der Tanzenden hinweg sucht er ihren Blick. Schnell dreht Nadine sich weg.
Plötzlich steht er vor ihr. Die Begegnung auf der Tanzfläche hat immerhin den Vorteil, dass es sehr laut ist und man sich nur schreiend verständigen kann. Und dafür sind beileibe nicht alle Themen geeignet.
Er legt ihr die Hand auf die Schulter und deutet zur Treppe am Saalende. Nadine schüttelt den Kopf, schiebt seine Hand weg. Im nächsten Moment steht Arnout neben ihr, zieht sie entschlossen von Eelco fort und legt besitzergreifend den Arm um ihre Mitte.
»Lass Nadine in Ruhe!«, schreit er. Die Worte gehen in der lauten Musik unter, doch sein Gesichtsausdruck spricht Bände. Zu allem Überfluss verpasst er Eelco auch noch einen Fausthieb ins Gesicht. Ein Volltreffer, denn Eelcos Nase beginnt zu bluten.
»Was fällt dir ein, Arnout!«, ruft Nadine entgeistert. Sie will hinter Eelco her, der - die Hand an die Nase gedrückt - auf die Tür zueilt, aber Arnout hält sie fest.
Mit einem zornigen Ruck befreit sie sich aus seinem Griff und rennt los.
Im Gedränge verliert sie Eelco bald aus den Augen, doch dann sieht sie ihn in die Herrentoilette gehen.
Ohne zu zögern, öffnet sie die Tür und geht ebenfalls hinein.
Er steht am Waschbecken, den Kopf in den Nacken gelegt, und presst ein Papiertuch an die Nase.
Wortlos stellt Nadine sich neben ihn und reicht ihm weitere Tücher aus dem Spender, die er anschließend blutdurchtränkt in den Abfall wirft.
Als die Blutung aufgehört
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