Kalte Freundschaft
verheiratet oder hat eine Freundin. Dass ein so gut aussehender Mann ungebunden ist, kann sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Nadine wendet sich den anderen zu, und Eelco plaudert eine Weile mit Leoni. Dann fragt er unvermittelt: »Und was für Bücher schreibst du, Nadine?«
Mit Fremden redet sie fast nie über ihre schriftstellerischen Ambitionen. Vielleicht wäre das anders, wenn sie schon etwas veröffentlicht hätte, aber ihre
Träume offenbart sie höchst ungern - ganz so, als brächte es Unglück, den lang gehegten Wunsch auszusprechen, und jedes Wort könnte die Seifenblase platzen lassen.
»Im Moment sitze ich an einem Thriller«, sagt sie schließlich. »Er ist bald fertig. Ein paar Kapitel muss ich noch überarbeiten, dann reiche ich das Manuskript ein.«
»Wo?«
»Bei allen Verlagen, die ich für geeignet halte.«
»Hast du keine besonderen Vorlieben?«
»Doch, aber erst einmal geht es darum, ob sich überhaupt jemand dafür interessiert. Danach sehe ich weiter.«
»Erzähl mir doch ein bisschen mehr. Oder ist dir das unangenehm?«
Eelco wirkt aufrichtig interessiert, und ehe Nadine sichs versieht, hat sie ihm die Handlung ihres Buches geschildert.
»Hört sich gut an«, meint er. »Und macht neugierig. Darf ich das Manuskript mal lesen?«
»Nein.«
Verdutzt sieht er sie an, dann lacht er. »Das ist wenigstens eine klare Antwort.«
»Wenn du wüsstest, wie viele Leute meine Manuskripte lesen wollen, wenn ich erzähle, dass ich schreibe«, fügt Nadine rasch hinzu. »Die paar Mal, die ich mich darauf eingelassen habe, hieß es dann: ›Hat mir ganz gut gefallen, ich könnte so was ja nicht, aber …‹ Und dann kam jede Menge Kritik.«
»Verträgst du keine Kritik?«
»Doch, aber es war so, dass jeder etwas anderes zu bemängeln hatte. Der eine fand Kapitel drei langweilig, der andere unglaubwürdig, dem Dritten wiederum gefiel es gut, und der Vierte hat sich köstlich darüber amüsiert, obwohl es durchaus ernst gemeint war. Das verunsichert mich, verstehst du? Irgendwann saß ich am Computer und brachte keinen vernünftigen Satz mehr zustande. Da habe ich beschlossen, meine Texte niemandem mehr zu zeigen, bevor sie nicht ganz fertig sind. Außer meinen Schreibfreunden natürlich.«
»Froukje hält große Stücke auf dich«, sagt Eelco. »Auf dem Weg hierher hat sie von euch erzählt und mich ziemlich neugierig gemacht. Wenn du an einer fundierten Meinung zu deinem Buch interessiert bist, kann ich gern …«
»Lieber nicht«, unterbricht ihn Nadine.
Eelco hebt beschwichtigend die Hände, dann gibt er ihr seine Visitenkarte.
»Hier, falls du es dir anders überlegst.«
Um halb eins kommt Nadine nach Hause, aufgekratzt und kein bisschen müde. Mit Froukje hat sie noch lange über ihr Buch gesprochen. Sie meinte, sie sei enorm gespannt auf die Endfassung, und versprach, sich bei verschiedenen Verlagen für Nadine einzusetzen.
An Schlaf ist jedenfalls nicht zu denken, was vielleicht auch ein wenig mit Eelco zu tun hat.
Nadine geht ins Arbeitszimmer. Eigentlich wollte sie den Computer auslassen, doch nun kann sie es kaum erwarten, sich die letzten Kapitel noch einmal gründlich vorzunehmen.
Sie setzt sich an den Schreibtisch, rückt die Tastatur zurecht und öffnet die Datei.
5
In aller Frühe wacht sie auf. Dunkelheit weicht dem ersten Tageslicht, hängt wie ein grauer Schleier im Zimmer.
Noch halb im Schlaf wird ihr bewusst, dass etwas nicht stimmt. Sie öffnet die Augen einen Spalt und merkt, dass es noch sehr früh sein muss. Sie könnte ohne Weiteres noch ein paar Stunden schlafen.
Aber ihr ist kalt, wahrscheinlich ist sie deswegen wach geworden.
Die Decke ist vom Bett gerutscht und liegt als formloser Haufen auf dem Fußboden. Mit einer Hand greift sie danach und stellt im gleichen Moment fest, dass sie nackt ist. Sonst schläft sie nie nackt. Sie reißt die Augen auf, blickt auf ihre Brüste hinab, dann fällt ihr Blick auf die Bettdecke. Sie ist mit etwas Klebrigem beschmiert, das auch an ihrem Körper haftet.
Blut!
Wie elektrisiert fährt sie hoch und knipst die Nachttischlampe an. Blut, überall Blut!
Als sie hastig aufsteht, stolpert sie über die Decke und kann sich gerade noch fangen, indem sie sich an der offenen Schlafzimmertür festhält.
Das grelle Badezimmerlicht versetzt ihr den nächsten
Schock. O Gott, sie ist voller Blut! Aber nirgendwo verletzt. Nein, es ist nicht ihr Blut.
Was ist nur passiert?
Eine Ahnung beschleicht sie, bleibt aber
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