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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Schlagzeile daneben konnte Sera sich ebenfalls noch erinnern. Berliner Innensenator fordert hartes Vorgehen gegen kriminelle Ausländer: »Schluss machen mit multikultureller Verblendung!«
    Gesing schritt durch das Dickicht voran. »David hat hier Stofffetzen entdeckt«, im Unterholz flatterten grüne Streifen, »dort im Gras ist Blut und …«
    Seras Nackenhaare richteten sich auf. »Was noch?«
    Ihr Kollege schob einen Busch beiseite. Blundermann kniete auf einem kleinen, nur mit Gras bewachsenen Fleck. Vor ihm lag eine leblose Gestalt in einer eingetrockneten, hellroten Lache von Blut, das aus ihrem Mund gesickert war.

83
    Das Taxi hielt in zweiter Reihe vor dem Verlagsgebäude des Kurier am Alexanderplatz. Sofort erscholl ein Crescendo aus ungeduldigem Hupen hinter ihm.
    Tania kramte hastig in ihrer Geldbörse nach Kleingeld, um den Fahrer zu bezahlen, als Hagen, der neben ihr auf der Rücksitzbank saß, ihren Arm berührte.
    »Ich bleibe dabei: Das ist Wahnsinn, was du vorhast.«
    Tanias Hand sank mit dem Portemonnaie in den Schoß. »Du klingst, als würde ich gleich Amok laufen.«
    »Wundern würde es mich nicht.«
    »Ich möchte nur in die Redaktion.«
    »Das habe ich verstanden. Aber was ich nicht verstehe, ist, was du dort willst.«
    Nicht zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch in Kreuzberg vor einer halben Stunde bereute es Tania, ihren Freund mitgenommen zu haben. Aber als sie ihm ihren Entschluss mitgeteilt hatte, war Hagen nicht davon abzubringen gewesen, sie zum Verlag zu begleiten. Auf keinen Fall hatte er sie allein durch die Stadt fahren lassen wollen. Anfangs hatte seine Sorge sie gerührt, seine Nähe sie sogar beruhigt, aber inzwischen begann sein übertriebener Beschützerinstinkt sie zu nerven.
    »Wie oft soll ich dir das noch erklären? Ich kann nicht untätig zu Hause sitzen, während ein Kollege … mein Chef … Stan in Lebensgefahr schwebt. Ich muss etwas unternehmen!«
    »Das ist Sache der Polizei.«
    »Aber es ist mein Mann, der ihn gefangen hält!«
    Hagen fiel resigniert in sich zusammen. Der Taxifahrer räusperte sich. Hinter ihnen hupte es in einem fort. Tania bezahlte und beugte sich zu ihrem Freund. »Bitte, pass auf dich auf.«
    »Na klar«, grollte er. »Während du …«
    Sie ließ ihn nicht ausreden, umarmte ihn und sprang dann aus dem Wagen, um ins Gebäude zu eilen.
    Die Stimmung unter den Kollegen war gedrückt, das Entsetzen stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Vor Bodkemas Büro stieß Tania auf Sackowitz, der argwöhnisch drei Zivilbeamte im Auge behielt, die den Raum einer genaueren Prüfung unterzogen. Falls ihr Kollege sich über ihr Auftauchen wunderte, ließ er es sich nicht anmerken.
    »Schon komisch«, sagte er nur.
    »Was?«
    »Unser Job ist es, darüber zu schreiben, wenn so etwas anderen Leuten passiert. Dann fällt es uns ganz leicht. Aber heute hat es einen von uns erwischt.« Traurig sah er Tania an. »Was machen wir jetzt?«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, schlurfte er in einen der nahen Konferenzräume. Während Tania ihm bestürzt folgte, ging ihr auf, dass sie zwar in die Redaktion gekommen war, um etwas zu tun, Hagen aber nicht ganz unrecht mit seinen Einwänden gehabt hatte: Wie konnte sie denn schon helfen?
    In dem Zimmer standen die Redakteure des Nachrichtenressorts beisammen, niemand hatte die Ruhe, sich hinzusetzen. Die Atmosphäre im Raum war angespannt, drohte sich jeden Augenblick zu entladen.
    »Was machen wir?«, wiederholte Sackowitz.
    »Wir werden über die Entführung berichten!«, verkündete Georg Harzer, der leitende Redakteur des Nachrichtenressorts. »Wir können gar nicht anders, die anderen Medien werden es auch tun.«
    »Erst recht, weil Stan ein Kollege von uns ist«, fügte Hans-Peter Karrenbacher hinzu. »Wir müssen alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, ausschöpfen, damit er heil aus der Sache herauskommt. Meinetwegen werden wir den Mörder in die Enge treiben – wenn es die Polizei schon nicht schafft.«
    »Wir müssen der Öffentlichkeit klarmachen, dass Verbrechen wie diese gezielte Schläge gegen die Pressefreiheit sind«, sagte Sackowitz. »Medien müssen über Politiker berichten dürfen, egal, wie umstritten ihre Äußerungen sind.«
    Die Kollegen brummten zustimmend.
    »Warum gehst du eigentlich noch immer davon aus, dass es sich um eine politische Tat handelt?«, wandte Karrenbacher ein.
    »Hans-Peter«, sagte Sackowitz, »darüber sollten wir jetzt nicht …«
    »Doch, darüber müssen wir jetzt

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