Kalte Haut
erstaunt, wie schnell ihr das Wort über die Lippen kam.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich Ihnen auch noch einige Fragen zu Herrn Bodkema stellen.«
»Warum mir?«
»Wir werden alle Mitarbeiter befragen.« Der Kriminalobermeister holte seinen Notizblock hervor. »Gibt es etwas, das Ihnen in letzter Zeit an Herrn Bodkema aufgefallen ist?«
»Was hätte mir auffallen sollen? Er ist mein Chef. Glauben Sie, er …«
Die Tür sprang auf, und Emma, Bodkemas Sekretärin, stöckelte aufgelöst herein. Hinter ihr drängten Sackowitz und ein älterer Herr mit akkurat gebügeltem Zweireiher und blitzblank geputzten Schuhen in den Raum.
»Bertram, Peter Bertram«, stellte er sich vor. Der Verleger des Berliner Kurier baute sich vor Blundermann auf. »Sie leiten die Befragungen unserer Mitarbeiter?«
Der Beamte bestätigte.
»Also gibt es immer noch keinen Hinweis auf den Verbleib von Herrn Bodkema?«
»Tut mir leid«, bedauerte der Kriminalobermeister, »aber zu den laufenden Ermittlungen darf ich Ihnen nichts sagen. Aber vielleicht können Sie mir weiterhelfen: Ist Herr Bodkema in letzter Zeit bedroht worden?«
»Natürlich ist er das. Nach den Interviews mit dem Innensenator gab es eine Vielzahl böser Leserbriefe. Schmähschriften. Beschimpfungen.«
»Auch Morddrohungen?«
»Nicht dass ich wüsste«, antwortete Bertram.
»Und Sie? Wissen Sie, ob es Morddrohungen gab?« Der Polizist wandte sich Emma zu.
»Nein, in dieser Richtung hat er nichts erwähnt.«
Der Beamte verteilte Visitenkarten. »Falls Ihnen noch etwas einfällt.« Dann marschierte er in Bodkemas Büro, das seine Kollegen nach wie vor auf Hinweise untersuchten. Mittlerweile waren auch weitere Vernehmungsbeamte in der Redaktion eingetroffen, um die Journalisten zu befragen.
Sackowitz setzte sich neben Tania. »Was hat er von dir gewollt?«
Tania fingerte die Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und schnippte eine Lucky Strike heraus. »Mir sagen, dass mein Mann tot ist.«
»Oh, mein Gott«, entfuhr es dem Verleger, der noch immer bei ihnen stand. »Mein Beileid.«
»Danke.« Tania entzündete die Zigarette.
»Was ist mit ihm passiert?«, erkundigte sich Sackowitz.
Tania nahm einen tiefen Zug. »Mach dir keine Hoffnung, Hardy, es war nur ein Unfall.«
Ihr Kollege sah sie ungläubig an.
»Und nein, Ralf war auch nicht der Mörder und Entführer. Das kannst du bitte Hans-Peter ausrichten.«
»Wie bitte?« Jetzt hob Bertram verblüfft den Kopf. »Man hat Ihren Mann verdächtigt, diese grauenhaften Taten verübt zu haben? Warum denn?«
Tania stieß den Qualm aus, und mit ihm entwich plötzlich auch all ihre Kraft. Die Wände rückten näher auf sie zu. Die Decke senkte sich auf sie herab. Die Luft zum Atmen wurde immer knapper. Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Entschuldigt!« Sie warf die Zigarette in den Aschenbecher, schnappte ihre Tasche und stürzte zum Fahrstuhl.
Weil der Lift auf sich warten ließ, nahm sie die Treppe nach unten. Die Stufen schienen kein Ende zu nehmen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie endlich auf dem Bürgersteig stand. Die frische, feuchte Luft war eine Wohltat.
Während sie darauf wartete, dass ihr Puls sich normalisierte, horchte sie in sich hinein. Da war Müdigkeit, grenzenlos und übermächtig. Und da war Trauer. Um Bodkema . Sie hatte ihn gemocht. Nicht auf die Weise, wie ihr manchmal unterstellt worden war, aber er war ihr ein guter Kollege und ein guter Chef gewesen.
War da auch Erleichterung? Erleichterung, weil ihr Wunsch in Erfüllung gegangen und Ralf endlich aus ihrem Leben verschwunden war? Das ist es, was du dir ersehnt hast!
Nein, sie schämte sich für diesen Gedanken. Ralf war krank und verzweifelt gewesen. Natürlich trug sie keine Schuld an seinem Tod. Im Gegenteil, sie hatte ihm helfen wollen, aber er hatte ihre Hilfe verweigert. Sie war nicht verantwortlich für sein Leben. Und für seinen Tod bist du es auch nicht! Trotzdem würde sie sich um seine Bestattung kümmern. Sie holte ihr Handy aus der Hosentasche. Diesmal, ein letztes Mal, wird er deine Hilfe nicht abschlagen können.
Das Mobiltelefon vibrierte in ihrer Hand.
Sie nahm den Anruf an, doch bevor sie etwas sagen konnte, erkannte sie das höhnische Keckern. Ihr Puls beschleunigte sich, Galle drängte sich ihre Kehle empor.
Das Kichern wurde lauter. »Lust auf ein Treffen?«
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»Ob ich mich gleich mit jemandem treffe?« Amüsiert betrachtete der kleine, glatzköpfige, knapp fünfzigjährige Mann die beiden
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