Kalte Haut
wie: Mach’s mir, Baby, sofort, ich … «
Sie schlug ihm lachend das Kissen auf den Kopf. »Hat dir letzte Nacht nicht gereicht?«
»Mir schon, aber … Was ist mit dir?« Er rieb sich das zerzauste Haar. »Ich hatte das Gefühl, du warst nicht ganz bei der Sache.«
»Blödsinn!« Sie zog die Decke wieder höher und sank zurück aufs Kissen.
Gerry legte sich neben sie. »Du bist in der Zeitung.«
»Ich?«
Er griff neben das Bett und brachte den aktuellen Kurier zum Vorschein. Das Thema der Titelstory war der versuchte Mord an Adile Gökcan. Beinahe-Ehrenmord: Türkin von Ehemann niedergestochen. Zwei Seiten weiter war ein Foto abgedruckt, das Fatma Alpzoman zeigte, Adiles Großtante, wie sie aus dem Haus der Blücherstraße geführt wurde, kurz nachdem sie auf Sera zugestürmt war. Die Beamtin war im Hintergrund zu erkennen, zwar etwas pixelig, aber dennoch deutlich genug.
»Also ehrlich, in natura bist du definitiv schärfer.« Gerrys Hand glitt zwischen ihre Schenkel.
Sie schlug danach. »Du denkst auch nur an das eine.«
»Wenn du nackt neben mir liegst – natürlich!«
»Dann ziehe ich mich jetzt an.« Sie schwang die Beine aus dem Bett.
Gerry umklammerte sie. »Nichts da!«
Sera schlüpfte zurück unter die Decke und schmiegte sich an ihn. Er hatte sich bereits geduscht und rasiert, der herbe Duft seines Aftershaves umgab ihn. Sera mochte den Geruch, er erinnerte sie an Urlaub, irgendwo am Meer, endlose Dünen, Hügel, Küstenstreifen, Strand und Wasser. Wilde Wellen. Reißender Strom.
»Jetzt aber mal ernsthaft«, sagte Gerry. »Du hast wirklich im Schlaf gesprochen. Ziemlich deutlich sogar. Und ziemlich wütend. Dabei hast du mehrfach einen Satz wiederholt: Frauen wie du sind schuld. Wovon hast du geträumt?«
Sera versuchte sich an ihren Traum zu erinnern, aber es flatterten nur noch wirre Bilder durch ihr Gedächtnis. Bilder von Wasser und Wellen. Und einem Gesicht. Wessen Gesicht? Sera schauderte.
»Kann ich dir irgendwie helfen?« Gerry streichelte ihre Gänsehaut.
Sie legte ihren Kopf in seine Armbeuge. »Dabei kannst du mir nicht helfen.«
»Geht es wieder um deinen Vater?«
»Nein, um eine dumme Sache in meinem Job.«
Mit der freien Hand hielt er den Kurier hoch. »Um diesen Ehrenmord?«
»Warum eigentlich Ehrenmord?«
»Was? Wie meinst du das?«
»Ach, vergiss es. Ist schon okay.«
»Nein, ist es nicht.« Er musterte sie eingehend. »Das sehe ich dir doch an.«
Sera wich seinen forschenden Augen aus. Wie gut er mich kennt. Sie genoss das Gefühl der Vertrautheit, der Nähe, ja, auch des Verliebtseins, so wie sie es fürchtete. Es machte alles komplizierter.
Schnell flüchtete sie unter die Dusche.
20
»Ein Bericht, der den Schlampereien bei den Berliner S-Bahn-Betrieben auf den Grund geht, hat nicht nur meine volle Rückendeckung, auch die Verlagsleitung würde ihn begrüßen. Du weißt ja, diese renditesüchtigen Betriebswirtschaftler freuen sich über jedes Thema, das unsere Auflage um ein paar tausend Exemplare hebt. Allerdings bedarf es, bevor so ein Artikel erscheint, klarer Fakten.« Stanislaw Bodkema sprach mit betonter Gleichgültigkeit, als unterhielte er sich über das Wetter.
Anders als am Vortag strahlte heute die Sonne auf das erwachende Berlin und hatte den meisten Leuten, denen Tania auf der Fahrt zur Arbeit begegnet war, ein fortwährendes Lächeln entlockt.
Dass Bodkema verärgert war, verriet nur das leichte Beben seiner Unterlippe. Außerdem klopfte er wiederholt auf die aktuelle Ausgabe, deren Titelschlagzeile lautete: Türkin von Ehemann niedergestochen!
»Ist das der Grund, warum mein Bericht heute nicht erschienen ist?«
Bodkema fuhr in seinem Monolog fort, als habe er ihre Frage nicht gehört. »Du weißt, ich schätze deine Arbeit«, sagte er, »und ich finde es beachtlich, dass du jemanden aufgetrieben hast, der uns mit Informationen aus dem direkten Umfeld der Bahn versorgt. Sehr gut.«
Tania nickte dankend, verstand aber noch immer nicht, warum ihr Chef sie vor fünf Minuten in sein Büro zitiert hatte. Und noch weniger wusste sie, warum ihr Text nicht wie versprochen die Titelseite zierte, warum er überhaupt nicht gedruckt worden war.
»Zugegeben, die Aussagen deines Informanten sind starker Tobak«, erklärte Bodkema weiter. »Jahrelange Missachtung der Sicherheitsbestimmungen. Unvollständige, unverständliche, längst überholte oder sogar falsche Arbeitsanweisungen für die Wartung der Bremsen. Keinerlei Qualitätskontrollen. Und
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