Kalte Haut
wirklich keens?«
»Danke, aber ich möchte gerne in meine Wohnung.«
»Ick werde dann später noch mal nach den Schlüsseln suchen.«
»Ich denke, es ist besser, ich rufe den Schlüsseldienst.«
Die Bierdose erstarrte auf dem Weg an Kornfelds Mund. »Aber det kostet doch!«
»Das ist kein Problem. Das übernehme ich. Ich lasse dann auch gleich ein neues Schloss einbauen.«
Auf Kornfelds Gesicht zeigte sich ein glückliches Lächeln. »Na, det nenne ick doch mal ’nen fairen Mieter.« Er nahm einen ordentlichen Schluck Hansa, bevor er sich eine Zigarette anzündete. »Tja, Herr … Wie war noch gleich Ihr Name?«
»Babicz.«
Kornfeld pustete ihm den Qualm ins Gesicht, während er ihm die Hand entgegenstreckte. »Ick bin Anton.«
»Robert«, sagte Robert, während er ein Husten unterdrückte.
»Also, Robert.« Kornfeld prostete ihm kumpelhaft zu. »Willkommen daheim. Und wenn de Lust uff ’nen Schwatz hast, kommste einfach rüba, wa?«
29
Kalkbrenner machte einen Schritt in den stickigen Konferenzraum. »Frank Lahnstein, der Sohn des Innensenators, ist entführt worden.«
Für Sekunden herrschte Stille in der Kammer. Nur das Rauschen der Heizung war zu hören. Die Hitze war plötzlich greifbar.
Sera wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Bist du dir sicher?«
»Wie ich schon sagte: Die Meldung läuft in den Nachrichten rauf und runter.«
»Seit wann ist das bekannt?«
»Seit einem Journalisten vor einer halben Stunde dieser Film per E-Mail zugespielt wurde. Ihr kennt den Reporter, er arbeitet beim Kurier – Harald Sackowitz!«
»Grundgütiger, der Schlimmste aller Schmierfinken!«, ächzte der Dezernatsleiter. Er griff nach der Zeitung und fächerte sich frische Luft zu. »Und was hat es mit dem Film auf sich?«
»Was Genaues weiß ich nicht. Ich habe davon nur im Radio gehört, auf der Fahrt hierher.«
»Barnitzke, machen Sie den Fernseher an!«, befahl der Chef.
Dienstbeflissen sprang die Sekretärin auf. Nur wenige Sekunden später klebten die Blicke aller Anwesenden an dem kleinen Bildschirm. N24 brachte eine Sondersendung. Der Kommentator informierte über den neunundzwanzigjährigen Frank Lahnstein, einen DJ, der mit dem Fotomodell Jasmin P. zusammenlebte. Ihre Berufsbezeichnung sprach er dabei aus, als wäre etwas anderes gemeint als das, was man landläufig darunter verstand. Dann wurde der Internetfilm gezeigt.
Viel war zum Glück nicht zu sehen. Dunkelheit. In der Mitte ein Lichtfleck. Ein Tisch. Darauf ein junger Mann, bis auf eine Unterhose nackt, gefesselt an Armen und Beinen, die Haut blutig, ein rot getränkter Knebel im Mund. Die Angst in seinem Gesicht war nicht zu übersehen. Die Lippen zitterten, die Augen waren weit aufgerissen, die Pupillen flackerten. Ein dumpfes, verzweifeltes Stöhnen erklang.
»Unzweifelhaft«, keuchte Dr. Salm. »Das ist Frank Lahnstein, der Sohn des Innensenators.«
»Aber warum?«, presste Rita hervor.
Weil er nicht weiß, wie es ist, wenn man sein Kind verliert. Sera spürte einen Kloß im Hals.
»Das fragen Sie noch?« Der Dezernatsleiter sprang auf. Sein Stuhl kippte nach hinten, krachte vor Kalkbrenners Füße. »Das ist doch ganz offensichtlich.«
Kalkbrenner bückte sich und richtete das Sitzmöbel wieder auf. »Sie glauben, die Entführung ist …«
»… politisch motiviert? Selbstverständlich!«
»Aber das da hat doch nichts mit Politik zu tun.« Rita vermied es, den Fernseher anzuschauen, wo das Video erneut gezeigt wurde.
»Was man hiervon auch behaupten kann.« Der Chef schwenkte noch immer den Kurier , damit jeder die Schlagzeile lesen konnte. »Und dennoch, dieser … Ehrenmord ist ein Politikum, heute mehr denn je.« Wütend feuerte er die Zeitung zurück auf den Tisch und schaute zum Fernseher. »Damit darf niemand durchkommen.«
Er verpasste der Zeitung einen Stoß, so dass sie über den Tisch rutschte und vor Sera liegen blieb. Dann pochte er mit dem Zeigefinger auf die Überschrift. »Muth, ich verlasse mich ganz auf Sie.«
Wenn das so einfach wäre. Voller Unbehagen setzte Sera zu einer Antwort an, aber der Dezernatsleiter hastete bereits aus dem Raum.
30
»Respekt? Haben Sie schon mal davon gehört?« Der ältere Herr, der sich vor Tanias Schreibtisch aufbaute, schnaubte vergrätzt.
Er hatte sich als Peter Veckenstedt vorgestellt, Kriminalhauptkommissar und Leiter der Ermittlungsgruppe, die vor einer Viertelstunde in dem Entführungsfall Lahnstein gebildet worden war.
»Ich wüsste nicht, was das
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