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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Lagerhaus.
    Aus dem Tor, das wie ein schiefes Maul in der Mauer klaffte, kam in diesem Moment Dr. Franziska Bodde und schälte sich aus ihrem weißen Plastikoverall.
    Sera trat zu ihr. »Ist er es wirklich?«
    »Ja.« Die LKA-Beamtin zerknüllte den Plastikanzug. »Und ich kann Ihnen schon jetzt noch etwas anderes mit ebensolcher Sicherheit sagen: Auffindungsort und Tatort sind nicht identisch.«
    »Sind die hier vom Täter?« Gesing beäugte interessiert Schuhabdrücke und Reifenspuren im sandigen Lehm vor dem Tor, die die Kriminaltechniker bereits gesichert hatten. Einige der Vertiefungen waren mit Gips ausgegossen.
    »Ja, sie stammen mit großer Wahrscheinlichkeit vom Täter«, bestätigte Dr. Bodde.
    »Nur einer?«, hakte Sera nach.
    »Das war jetzt nur so dahergesagt. Dazu kann ich mich im Augenblick noch gar nicht äußern. Es können natürlich auch mehrere Täter gewesen sein. Aber vielleicht kann Ihnen Dr. Wittpfuhl weiterhelfen. Er ist drinnen bei der Leiche.«
    Sera streifte sich weiße Plastikstulpen über die Schuhe. Während Blundermann noch einmal die Journalistin befragte, folgte Gesing seiner Kollegin durch den Vorraum in die eigentliche Lagerhalle. Der blaue Himmel blinzelte durch die Lücken im Dach, doch das grelle Licht in der Halle stammte von den Scheinwerfern, die von der Spurensicherung rings um eine halbhohe Betonmauer aufgestellt worden waren.
    Dahinter kniete Dr. Wittpfuhl, der Gerichtsmediziner. Sein Einwegoverall raschelte, als er aufschaute. Sein Gesicht war vom Solarium tiefbraun. »Übel, sehr übel.«
    »Was ist mit ihm passiert?«, fragte Sera und zögerte.
    »Er ist ermordet worden.«
    »Was Sie nicht sagen!«, ätzte Gesing.
    »Und vorher hat er ziemlich leiden müssen.«
    »Alle Achtung, Dr. Wittpfuhl, das nenne ich mal präzise Angaben.«
    Der Rechtsmediziner bedachte Seras Kollegen mit einem giftigen Blick. »Präziser kann ich es Ihnen erst nach der Obduktion erklären.«
    »Dennoch ist Ihnen bereits etwas aufgefallen«, sagte Sera.
    »Das haben Sie bemerkt?« Jetzt schwang Anerkennung in der Stimme des Gerichtsmediziners mit.
    Sera versuchte ihren Magen zu ignorieren und schlug einen Bogen um die Mauer. Der Anblick schnürte ihr die Kehle zu. Übel ist noch untertrieben . Das Rattern der S-Bahn, das der Wind durchs Dach hereinwehte, klang dumpf in ihren Ohren.
    »Ich habe Sie gewarnt«, sagte der Arzt.
    Sera zwang sich, den Leichnam ein zweites Mal anzusehen. »Was ist Ihnen aufgefallen?«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob es von Bedeutung ist, aber vielleicht haben Sie davon … Herrgott, was ist denn da los?«
    Draußen war plötzlich ein Tumult unter den Journalisten ausgebrochen.

36
    Eine Stunde, ein verspätetes Frühstück und etliche Tassen Kaffee in der Dachkammer , einem benachbarten Restaurant, später, empfing Robert den Schlüsseldienst, der keine zwei Minuten brauchte, um das Schloss auszuwechseln.
    Die Luft in der Wohnung roch abgestanden. Anscheinend war seit dem Tod der Vermieterin tatsächlich nicht mehr gelüftet worden. Roberts Nase witterte allerdings noch etwas anderes. Feuchtigkeit . Eine böse Ahnung trieb ihn rasch in den ersten Raum, der von der Diele abzweigte: das Behandlungszimmer.
    Robert zog den Vorhang beiseite und riss das Fenster auf. Licht flutete die Praxis und offenbarte zentimeterdicken Staub auf den Möbeln, einem Schrank mit Patientenakten und einem schmalen, zweckmäßigen Schreibtisch. Darauf standen ein mittlerweile hoffnungslos veralteter PC, das verjährte Kalendarium und ein Telefon mit Anrufbeantworter, dessen Anzeige wild blinkte: Speicher voll! Der Kaktus auf dem Tisch hatte der Dürre wahrscheinlich lange Zeit trotzen können und erst vor Kurzem den Überlebenskampf eingestellt. Die Zimmerpalme in der Ecke war hingegen bis zur Unkenntlichkeit vertrocknet.
    Ansonsten wirkte der Raum so, wie Robert ihn vor vier Jahren verlassen hatte. Die beiden Sessel auf dem Läufer in der Zimmermitte waren einander gegenüber positioniert, als würden die Personen, die hier zuletzt ein Therapiegespräch geführt hatten, jeden Moment wieder ihre Plätze einnehmen.
    Robert ging zurück in die Diele. Nicht nur das Plärren des Fernsehers aus der Nachbarwohnung wurde lauter, auch der muffige Geruch nahm zu.
    Er steuerte die Küche an. Der Kühlschrank war nicht in Betrieb, der Pott mit dem Filterkaffee leer, das Haltbarkeitsdatum der Nudel- oder Suppentüten in den Schränken seit Jahren abgelaufen. In einem Glas, in dem er Mehl aufbewahrt hatte,

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