Kalte Herzen
du es sein möchtest. Und ich sage dir: Es lohnt sich nicht.«
»Ich habe so hart dafür gearbeitet. Da werde ich jetzt nicht aufgeben.«
»Und was ist mit mir?«
Sie starrte ihn an und begriff, daß es hier nur um ihn ging. Das Boot, die Flucht in die Freiheit. Kurz vor der Hochzeit packte den Mann auf einmal der Drang, von zu Hause wegzulaufen.
Es war eine Metapher, die vielleicht nicht einmal er verstand.
»Ich möchte es machen, Abby«, sagte er und kam mit fiebrig glänzenden Augen auf sie zu. »Ich habe ein Angebot eingereicht für dieses Boot. Deswegen bin ich so spät nach Hause gekommen. Ich habe mich mit dem Makler getroffen.«
»Du hast ein Angebot gemacht, ohne mir davon zu erzählen?
Ohne mich auch nur anzurufen?«
»Ich weiß, es klingt verrückt –«
»Wie können wir uns so etwas leisten? Ich bin bis über beide Ohren verschuldet. Es wird Jahre dauern, bis ich meine Studiumsdarlehen zurückgezahlt habe. Und du kaufst ein Boot?«
»Wir können eine Hypothek aufnehmen. Es ist, als würde man sich ein zweites Zuhause kaufen.«
»Das ist aber kein Zuhause.«
»Es wäre trotzdem eine Investition.«
»In so etwas würde ich mein Geld nicht investieren.«
»Ich gebe ja auch nicht dein Geld aus!«
Sie machte einen Schritt zurück und starrte ihn an. »Du hast recht«, sagte sie leise. »Es ist überhaupt nicht mein Geld.«
»Abby!« Er stöhnte. »Abby!«
Es fing wieder an zu regnen, die Tropfen waren kalt und machten ihr Gesicht taub. Sie ging zum Wagen zurück und stieg ein.
Er folgte ihr. Einen Moment lang sagte keiner etwas. Man hörte nur den Regen, der auf das Autodach trommelte.
»Ich werde mein Angebot zurückziehen«, sagte er leise.
»Das will ich nicht.«
»Was willst du dann?«
»Ich dachte, wir würden unser Leben miteinander teilen. Und ich meine nicht das Geld, das ist mir egal. Es tut nur weh, daß du es als dein Geld ansiehst. Soll so unsere Zukunft aussehen?
Deins und meins? Sollen wir unsere Anwälte anrufen und Gütertrennung vereinbaren? Die Möbel und Kinder aufteilen?«
»Du verstehst mich nicht«, sagte er, und sie hörte eine fremde und unerwartete Verzweiflung in seiner Stimme. Er ließ den Wagen an.
Den halben Weg nach Hause legten sie schweigend zurück.
Dann sagte Abby: »Vielleicht sollten wir unsere Verlobung überdenken. Vielleicht ist Heiraten nicht das, was du wirklich willst, Mark.«
»Ist es nicht das, was du willst?«
Sie sah aus dem Fenster und seufzte. »Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Ich weiß es nicht mehr.«
Und das war die Wahrheit. Sie wußte es wirklich nicht.
Drei Opfer bei Familientragödie
Im Schlaf wurden in der Neujahrsnacht Dr. Alan Hennessy und seine Familie von einem Mörder überrascht, der die Kellertreppe hinaufschlich. Tödliches Kohlenmonoxid aus einem fehlerhaften Heizungssystem soll für den Tod von Hennessy (34), seiner Frau Gail (33) und ihrer sechs Monate alten Tochter Linda verantwortlich sein. Die Leichen wurden am späten Nachmittag von Freunden entdeckt, die zum Abendessen eingeladen waren …
Abby schob den Mikrofilm weiter, und auf dem Bildschirm erschienen die Gesichter von Hennessy und seiner Frau. Seins war rundlich und ernst, ihres lachend, offenbar ein privater Schnappschuß. Von dem Baby gab es kein Foto. Vielleicht dachte der
Globe,
daß sechs Monate alte Babys sowieso alle gleich aussehen.
Abby wechselte den Mikrofilm und suchte nach einem Datum dreieinhalb Jahre vor Hennessys Tod. Sie fand den gesuchten Artikel auf der ersten Seite des Lokalteils.
Leiche von vermißtem Arzt im Inneren Hafen geborgen
Die Leiche, die am Dienstag aus dem Bostoner Hafen geborgen wurde, wurde heute als die von Dr. Lawrence Kunstler identifiziert, einem Bostoner Thoraxchirurgen.
Dr. Kunstlers Wagen war in der vergangenen Woche verlassen auf der Kriechspur der Tobin Bridge aufgefunden worden. Die Polizei vermutet, daß es sich um einen Selbstmord handelt. Bis jetzt haben sich jedoch noch keine Zeugen gemeldet, so daß die Untersuchung bis auf weiteres unabgeschlossen bleibt …
Abby rückte Kunstlers Foto in die Mitte des Bildschirms. Es war offensichtlich gestellt: Dr. Kunstler im obligatorischen weißen Kittel mit Stethoskop blickte direkt in die Kamera.
Und sah jetzt direkt in ihre Augen.
Warum hast du es getan? Warum bist du gesprungen? fragte sie, ohne den Nachgedanken unterdrücken zu können: wenn du wirklich gesprungen bist.
Der Vorteil ihrer Befreiung vom Stationsdienst lag darin, daß Abby den ganzen
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