Kalte Herzen
Abby.
»Ich habe den Anfang verpaßt, aber den Großteil Ihrer Antworten habe ich, denke ich, mitbekommen.«
Er wies mit dem Kopf auf den Spiegel an der Wand. Es war ein Einwegfenster, wie ihr klar wurde. Er hatte der Befragung durch Lundquist also zugehört. Wie viele andere mochten noch hinter dem Glas hocken und sie beobachten? Abby fühlte sich wie auf einem Präsentierteller. Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, wandte den Blick vom Spiegel ab und sah Katzka direkt an.
»Und was wollen Sie mich fragen?«
»Sie vermuten, jemand wolle Ihnen die Sache in die Schuhe schieben. Können Sie uns sagen, wer das sein könnte?«
»Ich dachte, es wäre Victor Voss. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
»Haben Sie noch andere Feinde?«
»Ganz offensichtlich.«
»Jemand, der Sie genug haßt, um Ihre Patientin zu ermorden?
Nur um Ihnen die Sache anzuhängen?«
»Vielleicht war es gar kein Mord. Der Morphium-Level ist nie offiziell bestätigt worden.«
»Doch. Mrs. Allen wurde vor einigen Tagen auf Ersuchen von Brenda Hainey exhumiert. Der Gerichtsmediziner hat den Test heute morgen durchgeführt.«
Abby registrierte diese Information schweigend. Sie hörte, wie die Spulen des Aufnahmegeräts surrten, und ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken. Jetzt war es zweifelsfrei erwiesen: Mrs. Allen war an einer Überdosis Morphium gestorben.
»Vor ein paar Tagen haben Sie mir erzählt, daß Sie von einem lilafarbenen Van verfolgt würden.«
»Braun«, flüsterte sie. »Es war ein brauner Van. Ich habe ihn heute wieder gesehen.«
»Haben Sie die Nummer notiert?«
»So nah bin ich nicht an ihn herangekommen.«
»Lassen Sie mich das noch einmal rekapitulieren, um sicherzugehen, daß ich Sie richtig verstanden habe. Irgend jemand verabreicht Ihrer Patientin Mrs. Allen eine Überdosis Morphium. Dann deponiert er – oder sie – eine Ampulle mit Morphium in Ihrem Spind. Und jetzt werden Sie von einem Van verfolgt. Und Sie glauben, hinter all diesen Ereignissen steckt Victor Voss?«
»Das habe ich jedenfalls bisher gedacht. Vielleicht ist es auch jemand anders.«
Katzka lehnte sich zurück und betrachtete sie. Der müde Ausdruck in seinem Gesicht hatte jetzt auch seine Schultern erreicht, die schlaff herabhingen.
»Erzählen Sie uns noch mal von den Transplantationen.«
»Ich habe Ihnen doch schon alles erzählt.«
»Mir ist noch nicht ganz klar, in welchem Zusammenhang das zu diesem Fall steht.«
Sie atmete tief ein. Das hatte sie doch schon alles Lundquist erläutert! Sie hatte ihm die ganze Geschichte von Josh O’Day und den verdächtigen Umständen von Nina Voss’ Transplantation erzählt. Nach Lundquists gelangweilter Reaktion zu urteilen, war es reine Zeitverschwendung gewesen.
Jetzt erwartete man von ihr, daß sie dieselbe Geschichte noch einmal wiederholte, und es würde noch mehr verschwendete Zeit bedeuten. Resigniert schloß sie die Augen. »Ich hätte gern einen Schluck Wasser.«
Lundquist verließ den Raum. Während er weg war, sagten weder sie noch Katzka ein Wort. Sie saß mit geschlossenen Augen da und wünschte, es wäre vorbei. Doch es würde nie vorbei sein. Sie würde auf ewig in diesem Zimmer sitzen und immer wieder dieselben Fragen beantworten. Vielleicht hätte sie doch einen Anwalt anrufen sollen. Vielleicht sollte sie einfach gehen.
Katzka hatte ihr erklärt, daß sie nicht verhaftet worden war.
Noch nicht.
Lundquist kam mit einem Becher Wasser zurück. Sie leerte ihn hastig und stellte den Becher auf den Tisch.
»Was ist mit den Herztransplantationen, Dr. DiMatteo?«
ermunterte Katzka sie.
Sie seufzte. »Ich glaube, daß Aaron an seine drei Millionen Dollar gekommen ist, indem er Spenderherzen für reiche Empfänger aufgetrieben hat, die nicht warten wollten, bis sie nach der Liste an der Reihe waren.«
»Nach der Liste?«
Sie nickte. »Allein in diesem Land gibt es fünftausend Menschen, die auf Herztransplantationen warten. Das regionale System wird von der New England Organ Bank organisiert. Es ist absolut unparteiisch. Allein der Zustand des Patienten ist ausschlaggebend für seine Priorität auf der Liste, nicht sein Vermögen. Das heißt, wenn man ganz unten auf der Liste steht, muß man lange warten. Nun mal angenommen, Sie sind reich und machen sich Sorgen, daß Sie sterben, bevor man ein Herz für Sie findet. Natürlich wären Sie versucht, sich unter Umgehung der Liste ein Organ zu besorgen.«
»Ist das möglich?«
»Dafür müßte es ein
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