Kalte Herzen
mal?« fragte er.
»Sie müssen eine Stellungnahme vorbereiten, General. Susan Casado ist schon unterwegs. Sie wird Ihnen bei der Formulierung helfen. Bis dahin redet niemand mit irgendwem.«
Wettig nickte knapp, bevor er den Blick auf Abby richtete.
»Darf ich Ihren Aktenkoffer mal sehen, Dr. DiMatteo?«
»Warum?«
»Sie wissen, warum. Sie waren nicht ermächtigt, diese Krankenakten einzusehen. Die sind vertraulich. Ich befehle Ihnen, mir alle Notizen auszuhändigen, die Sie gemacht haben.«
Sie tat nichts und sagte nichts.
»Ich kann mir kaum vorstellen, daß der zusätzliche Vorwurf des Diebstahls Ihre Lage erleichtern wird.«
»Diebstahl?«
»Jede Information, die Sie aus dieser illegalen Aktenrecherche gewonnen haben, war gestohlen. Geben Sie mir den Aktenkoffer. Geben Sie ihn mir!«
Wortlos reichte sie ihm den Koffer und sah zu, wie er ihn öffnete, die Papiere durchwühlte und ihre Notizen entnahm. Sie konnte nur resigniert den Kopf hängenlassen. Sie hatten sie wieder geschlagen. Sie hatten zum vorbeugenden Schlag ausgeholt, und Abby war nicht darauf vorbereitet gewesen. Sie hätte es besser wissen müssen, hätte die Notizen verstecken sollen, bevor sie hier hochgekommen war. Doch sie war zu beschäftigt damit gewesen, sich ihre Rechtfertigung für Wettig zurechtzulegen.
Er klappte den Koffer zu und gab ihn ihr zurück. »Ist das alles?« fragte er.
Sie konnte nur nicken.
Wettig sah sie einen Moment lang schweigend an und schüttelte den Kopf. »Sie wären eine großartige Chirurgin geworden, DiMatteo. Doch ich denke, es wird Zeit, der Tatsache ins Auge zu sehen, daß Sie Hilfe brauchen. Ich empfehle Ihnen, sich psychologisch begutachten zu lassen. Mit dem heutigen Datum entlasse ich Sie aus unserem Ausbildungsprogramm.«
Zu Ihrer Überraschung hörte sie einen Unterton ehrlichen Bedauerns, als er leise hinzufügte: »Es tut mir leid.«
Achtzehn
D etective Lundquist war blond und kantig, der perfekte Teutone. Seit nunmehr zwei Stunden befragte er Abby und lief dazu in dem beengten Befragungszimmer auf und ab.
Falls er sie damit einschüchtern wollte, funktionierte es. In dem kleinen Städtchen in Maine, wo Abby aufgewachsen war, waren Polizisten Menschen, die einem freundlich aus ihrem Streifenwagen zuwinkten, mit klimpernden Schlüsseln am Gürtel herumliefen und bei den Abschlußfeiern der High School die Bürgerpreise überreichten. Es waren jedenfalls keine Menschen, vor denen man Angst haben mußte.
Vor Lundquist hatte Abby Angst. Sie hatte Angst vor ihm, seit er den Raum betreten und das Aufnahmegerät auf den Tisch gestellt hatte. Sie hatte sogar noch mehr Angst bekommen, als er eine Karte aus der Anzugjacke gezogen und ihr ihre Rechte vorgelesen hatte. Abby hatte dieses Polizeirevier aus freien Stücken betreten und gebeten, Detective Katzka zu sprechen.
Statt dessen hatte man ihr Lundquist geschickt, der sie mit der kaum gezügelten Aggressivität eines Beamten befragte, der eine Verhaftung vorgenommen hatte.
Die Tür öffnete sich, und endlich kam auch Katzka herein.
Überhaupt jemanden zu sehen, den sie kannte, hätte für Abby eine Erleichterung sein sollen, aber Katzkas ausdruckslose Miene bot keinen Trost. Er trat an den Tisch und musterte sie müden Blickes. »Soweit ich weiß, haben Sie noch keinen Anwalt konsultiert«, sagte er. »Möchten Sie jetzt gern einen anrufen?«
»Bin ich verhaftet?« fragte sie.
»Im Augenblick nicht.«
»Dann kann ich also jederzeit gehen?«
Katzka zögerte und sah Lundquist an, der mit den Schultern zuckte. »Dies ist nur eine Voruntersuchung.«
»Glauben Sie, daß ich einen Anwalt brauche, Detective?«
Wieder zögerte Katzka. »Das müssen Sie wirklich selbst entscheiden, Dr. DiMatteo.«
»Hören Sie, ich bin freiwillig hergekommen. Ich bin gekommen, weil ich mit Ihnen reden wollte, um Ihnen zu erzählen, was geschehen ist. Ich habe geduldig alle Fragen dieses Mannes beantwortet. Wenn Sie mich verhaften wollen, ja, dann möchte ich einen Anwalt anrufen. Aber ich will gleich klarstellen, daß ich das nicht tue, weil ich mich eines Vergehens schuldig gemacht habe.« Sie sah Katzka direkt an. »Vermutlich lautet meine Antwort also: Nein, ich brauche keinen Anwalt.«
Wieder tauschten Lundquist und Katzka Blicke, deren Bedeutung ihr unklar blieb. Dann sagte Lundquist: »Sie gehört dir, Slug« und verzog sich in eine Ecke.
Katzka nahm an dem Tisch Platz.
»Ich nehme an, Sie wollen mich noch mal dasselbe fragen wie er«, meinte
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