Kalte Herzen
Chirurgen auf ihre kostbaren Hände.
Wenn einem Internisten die Aufzugstür vor der Nase zugeht, schiebt er die Hände dazwischen, um sie aufzuhalten.
Ein Chirurg seinen Kopf. Ha, ha.
Zwanzig Minuten waren verstrichen. Es war schon nach fünf, und der schwache Sonnenschein war einer düsteren Dämmerung gewichen. Durch den Fensterspalt hörte sie das stetige Rauschen der Autos auf dem Martin Luther King Boulevard.
Es war die Hauptverkehrszeit. Ein Stück die Straße hinunter kamen zwei Männer mit Muskeln wie Herkules aus dem Fitneßstudio und schlenderten zu ihren Wagen.
Sie hielt weiter den Eingang des Amity-Gebäudes im Blick und wartete darauf, daß Katzka herauskommen würde.
Mittlerweile war es zwanzig nach fünf.
Selbst in dieser Nebenstraße wurde der Verkehr dichter, so daß ihr die Sicht auf den Eingang immer wieder verdeckt wurde.
Als sich schließlich eine Lücke im Autostrom auftat, entdeckte sie gegenüber einen Mann, der aus dem Seiteneingang des Amity-Gebäudes kam. Er blieb auf dem Bürgersteig stehen und schaute auf die Uhr. Als er wieder aufblickte, fing Abbys Herz an rasen. Sie kannte dieses Gesicht, die grotesk fliehende Stirn und die Habichtnase.
Es war Dr. Mapes, der Kurier, der Nina Voss’ Spenderherz in den OP geliefert hatte.
Mapes setzte sich in Bewegung. Auf halbem Weg die Straße hinunter blieb er vor einem blauen Pontiac Trans-Am stehen und zog den Wagenschlüssel aus der Tasche.
Abby blickte wieder zum Amity-Gebäude und hoffte und betete, daß Katzka auftauchte. Nun mach schon, mach schon.
Sonst verliere ich Mapes! Sie sah wieder zu dem Trans-Am.
Mapes war inzwischen eingestiegen und legte gerade den Sicherheitsgurt an. Er hatte den Motor schon angelassen und wartete jetzt auf eine Lücke im fließenden Verkehr. Abby warf einen panischen Blick auf die Zündung und sah, daß Katzka seinen Schlüssel steckengelassen hatte. Das konnte ihre Chance sein, ihre einzige Chance. Der blaue Trans-Am fädelte sich in den Verkehr ein. Ihr blieb keine Zeit, ihre Entscheidung zu überdenken. Abby rutschte auf den Fahrersitz, ließ Katzkas Wagen an und fuhr los. Der Wagen hinter ihr bremste quietschend und hupte wütend.
Sie sah, daß Mapes bei Dunkelgelb über die nächste Kreuzung rauschte.
Abby mußte bremsen. Zwischen ihr und der Ampel waren vier Wagen, an denen sie unmöglich vorbeikam. Bis es wieder grün wurde, konnte Mapes schon Blocks weit entfernt sein. Sie saß da, zählte die Sekunden und verfluchte die Bostoner Verkehrsampeln und ihre eigene Unentschlossenheit. Wenn sie nur schneller losgefahren wäre! Der Trans-Am war kaum noch zu sehen, nur ein blauer Schimmer in einem Strom von Fahrzeugen. Was war bloß mit dieser Ampel los?
Endlich wurde sie grün, aber nichts bewegte sich. Der Fahrer des ersten Wagens mußte am Steuer eingeschlafen sein. Abby stemmte sich auf die Hupe, die einen ohrenbetäubenden Ton ausstieß. Endlich setzten sich die Wagen vor ihr in Bewegung.
Sie trat auf das Gaspedal und ließ es gleich wieder los. Jemand hämmerte mit der Faust gegen den Wagen.
Sie blickte nach rechts und sah Katzka, der auf der Beifahrerseite neben dem Auto herlief. Sie bremste. Er riß die Tür auf. »Was zum Teufel machen Sie?«
»Steigen Sie ein.«
»Nein, fahren Sie erst rechts ran und –«
»Steigen Sie ein, verdammt noch mal!«
Er blinzelte überrascht und stieg ein.
Sofort trat sie wieder auf das Gaspedal und schoß über die Kreuzung. Zwei Blocks vor ihr bewegte sich ein blauer Schimmer nach rechts. Der Trans-Am bog in die Cottage Street.
Wenn sie ihm nicht direkt auf den Fersen blieb, würde sie ihn in dem dichter werdenden Verkehr verlieren. Sie überfuhr eine durchgezogene Linie, raste links an drei Wagen vorbei und zwängte sich mit quietschenden Reifen gerade noch rechtzeitig wieder in ihre Spur. Dabei hörte sie, wie Katzka seinen Sicherheitsgurt anlegte. Gut. Denn das hier könnte eine ziemlich wilde Fahrt werden. Sie bog in die Cottage Street.
»Wollen Sie mich vielleicht aufklären?« fragte Katzka.
»Er kam aus einem Seiteneingang des Amity-Gebäudes. Der Typ in dem blauen Wagen.«
»Und wer ist er?«
»Der Überbringer des Spenderorgans. Er sagte, sein Name wäre Mapes.« Sie nutzte eine weitere Lücke im Verkehr, um auf der Gegenspur ein paar Wagen zu überholen.
»Vielleicht sollte doch lieber ich fahren«, bemerkte Katzka.
»Er fährt zum Verteilerkreis. Und jetzt wohin? Wohin fährt er?«
Der Trans-Am bog in den Kreisverkehr und fuhr in
Weitere Kostenlose Bücher