Kalte Herzen
östlicher Richtung ab.
»Er fährt zum Expressway«, sagte Katzka.
»Wir also auch.« Abby bog ebenfalls in den Kreisverkehr und folgte dem Trans-Am.
Katzka hatte richtig vermutet: Mapes fuhr auf die Auffahrt zum Expressway. Sie folgte ihm, ihr Herz raste, ihre Hände klebten schweißnaß am Steuer. Hier konnte sie ihn verlieren.
Der Expressway um halb sechs war wie eine Fahrt mit dem Autoscooter bei hundert Stundenkilometern. Jeder Fahrer war ein potentieller Verrückter, der möglichst schnell nach Hause wollte. Sie fädelte sich ein und sah Mapes weit vor sich auf die linke Spur ausscheren.
Auch sie versuchte, nach links zu wechseln, doch ein Truck weigerte sich, sie in die Lücke zu lassen. Abby blinkte und setzte zum Spurwechsel an, worauf der Truck die Lücke noch enger schloß. Das Ganze war zu einer gefährlichen Mutprobe geworden, wer als erster nachgab. Abby hielt auf den Truck zu, der Truck hielt munter dagegen. Adrenalin pumpte durch ihren Körper, und sie war so darauf konzentriert, Mapes nicht zu verlieren, daß sie gar keine Zeit hatte, Angst zu haben. Hinter dem Steuer hatte sie sich in eine andere Frau verwandelt, eine verzweifelte, fluchende Fremde, die sie kaum wiedererkannte.
Sie wehrte sich, und es fühlte sich gut an, ein Gefühl von Macht. Abby DiMatteo auf Testosteron.
Sie trat das Gaspedal durch und scherte direkt vor dem Truck nach links.
»Dr. DiMatteo«, brüllte Katzka. »Wollen Sie uns umbringen?«
»Das ist mir egal. Ich will diesen Kerl!«
»Sind Sie so auch im OP?«
»O ja. Ich bin der verdammte Schrecken der Chirurgie. Haben Sie’s noch nicht gehört?«
»Erinnern Sie mich dran, damit ich nie krank werde.«
»Was macht er denn jetzt?«
Vor ihnen hatte der Trans-Am wieder die Spur gewechselt und sich in die Abbiegerspur für den Callahan Tunnel eingeordnet.
»Verdammt«, fluchte Abby und scherte ebenfalls nach rechts.
Über zwei Spuren wechselnd, schoß sie in das höhlenartige Halbdunkel des Tunnels. Graffiti sausten an ihnen vorbei, das Surren der Reifen auf dem Pflaster hallte von den Betonwänden wider, das Dröhnen der Wagen zerschnitt die Luft. Als sie wieder in das graue Dämmerlicht kamen, mußten sich ihre Augen erst wieder daran gewöhnen.
Der Trans-Am verließ den Expressway, und Abby folgte ihm.
Sie waren jetzt in East Boston, dem Tor zum Logan International Airport. Vermutlich ist Mapes dorthin unterwegs, dachte sie, zum Flughafen. Sie war überrascht, als er statt dessen die Gleise überquerte und in ein westlich vom Flughafen gelegenes Gewirr von Straßen fuhr.
Abby bremste ab, um ein wenig Abstand zu lassen. Der Adrenalinstoß, der sie während der hektischen Verfolgungsjagd über den Expressway vorwärts getrieben hatte, ebbte ab. In dieser Gegend konnte ihr der Trans-Am nicht entwischen. Jetzt mußte sie vielmehr darauf achten, nicht entdeckt zu werden.
Sie fuhren nun an den Werften des Inneren Hafens entlang.
Hinter einem Maschendrahtzaun stapelten sich in drei Reihen unbenutzte Schiffscontainer wie riesige Legosteine. Jenseits des Containerhofs lag der Industriehafen. Vor dem Hintergrund der untergehenden Sonne ragten Ladekräne und Schiffsmasten in die Höhe. Der Trans-Am bog links ab und fuhr durch ein offenes Tor auf den Containerhof.
Abby hielt vor dem Zaun. Durch die Lücke zwischen einem Gabelstapler und einem Container beobachtete sie, daß der Trans-Am am Ende des Piers stehenblieb. Mapes stieg aus und ging auf das Dock zu, wo ein Schiff vor Anker lag. Es war ein kleiner Frachter, knapp siebzig Meter lang, schätzte sie.
Mapes rief etwas. Und wenig später tauchte an Deck ein Mann auf und winkte ihn an Bord. Mapes erklomm die Gangway und verschwand in dem Frachter.
»Warum ist er hierhergekommen?« fragte sie. »Warum ein Schiff?«
»Sind Sie sicher, daß es derselbe Mann war?«
»Wenn nicht, hat er einen Doppelgänger bei Amity.« Sie hielt inne, und plötzlich fiel ihr ein, Katzka nach den Ergebnissen seines Besuches im Amity-Gebäude zu fragen. »Was haben Sie eigentlich über den Laden herausgefunden?«
»Sie meinen, bevor mir aufgefallen ist, daß jemand meinen Wagen gestohlen hat?« Er zuckte die Schultern. »Es sah genauso aus, wie man es erwarten konnte: ein Laden für medizinischen Bedarf. Ich habe gesagt, daß ich ein Krankenhausbett für meine Frau brauche, und man hat mir einige der neuesten Modelle vorgeführt.«
»Wie viele Leute arbeiten in dem Gebäude?«
»Ich habe drei gesehen. Ein Typ im Ausstellungsraum und
Weitere Kostenlose Bücher