Kalte Herzen
Mark. »Es lief alles absolut legal, Parr. Vivian wußte genau, welche Strippen sie ziehen mußte, und sie hat sie gezogen. Einschließlich Abbys.«
Abby setzte an, etwas zu Vivians Verteidigung zu sagen, doch dann sah sie den mahnenden Blick in Marks Augen: Vorsicht.
Grab dir nicht dein eigenes Grab.
»Wir haben eine Patientin, die wegen eines neuen Herzens zu uns gekommen ist. Und jetzt haben wir kein Herz für sie. Was soll ich ihrem Mann sagen? ›Tut mir leid, Mr. Voss, aber das Herz ist
verlegt
worden?‹« Parr wandte sich mit vor Wut verzerrtem Gesicht an Abby. »Sie sind nur Assistenzärztin, Dr. DiMatteo. Sie haben sich eine Entscheidung angemaßt, eine Entscheidung, die Sie nicht zu treffen hatten. Voss hat bereits davon erfahren. Und jetzt wird Bayside dafür bezahlen. Und zwar happig.«
»Kommen Sie, Parr«, sagte Mark. »So weit ist es noch nicht.«
»Glauben Sie vielleicht, daß Victor Voss seine Anwälte
nicht
in Marsch setzen wird?«
»Auf welcher Grundlage denn? Es gibt eine empfängergebundene Spendererklärung. Das Herz
mußte
an den Jungen gehen.«
»Nur weil DiMatteo den Ehemann gezwungen hat, sie zu unterschreiben!« beharrte Parr und zeigte wütend auf Abby.
»Ich habe ihm nur von Josh O’Day erzählt«, sagte Abby. »Ich habe ihm erzählt, daß der Junge erst siebzehn –«
»Das allein reicht, um Sie zu feuern«, erklärte Parr. Er blickte auf seine Uhr. »Mit Wirkung des heutigen Tages, 19.30 Uhr – also ab jetzt – sind Sie als Assistenzärztin entlassen.«
Abby starrte ihn entsetzt an. Sie wollte protestieren, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie brachte kein Wort hervor.
»Das können Sie nicht machen«, sagte Mark.
»Warum nicht?« fragte Parr.
»Zum einen liegt diese Entscheidung beim Leiter des Programms. Und wie ich den General kenne, wird es ihm bestimmt nicht gefallen, daß seine Autorität übergangen wurde.
Zum zweiten ist unser chirurgisches Hauspersonal ohnehin knapp. Wenn wir Abby verlieren, bedeutet das, daß die Thoraxchirurgie jede zweite Nacht Bereitschaft hat. Die Leute werden müde werden, Parr. Sie werden Fehler machen. Wenn Sie Anwälte anlocken wollen, ist das genau die Art, es zu erreichen.« Er warf einen Seitenblick zu Abby. »Du hast doch morgen nacht Bereitschaft, oder?«
Sie nickte.
»Und was machen wir jetzt, Parr?« fuhr Mark fort. »Kennen Sie einen anderen Assistenzarzt im zweiten Jahr, der einfach so für sie einspringen kann?«
Jeremiah Parr sah Mark an. »Das ist nur vorübergehend.
Glauben Sie mir, daß ist nur vorübergehend.« An Abby gewandt bemerkte er: »Sie werden morgen weiteres in dieser Angelegenheit hören. Und jetzt verschwinden Sie hier.«
Auf wackeligen Beinen schaffte es Abby irgendwie, Parrs Büro zu verlassen. Sie fühlte sich zu benommen, um klar zu denken.
Auf halbem Weg den Flur hinunter blieb sie stehen und spürte, wie die Benommenheit den Tränen wich. Sie wäre gleich an Ort und Stelle weinend zusammengebrochen, wenn Mark nicht an ihrer Seite gewesen wäre.
»Abby.« Sie drehte sich um und sah ihn an. »Den ganzen Nachmittag war hier das reinste Schlachtfeld. Was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Ich habe das Leben eines Jungen gerettet. Das habe ich mir dabei gedacht!« Ihre Stimme brach in abgerissene Schluchzer.
»Wir haben ihn gerettet, Mark. Es ist genau das, was wir hätten tun
sollen.
Ich habe niemandes Befehle befolgt. Ich habe auf meine Instinkte gehört.
Meine
eigenen.« Wütend wischte sie die Tränen aus ihrem Gesicht. »Wenn Parr mich dafür bestrafen will, soll er, Ein siebzehnjähriger Junge gegen die Frau eines reichen Mannes.
Ich werde alles offenlegen, Mark. Vielleicht werde ich gefeuert.
Aber ich werde strampelnd und kreischend untergehen.« Sie drehte sich um und ging weiter den Flur hinunter.
»Es gibt eine andere Möglichkeit. Eine bequemere.«
»Ich wüßte nicht, welche.«
»Hör mir zu.« Wieder faßte er ihren Arm. »Laß Vivian allein den Kopf hinhalten! Das wird sie ohnehin tun.«
»Aber ich habe mehr getan, als nur Befehle zu befolgen.«
»Abby, nimm ein Geschenk an, wenn es dir angeboten wird!
Vivian hat die Schuld auf sich genommen. Sie hat es getan, um die Schwestern zu schützen. Belaß es dabei.«
»Und was geschieht mit ihr?«
»Sie hat bereits gekündigt. Peter Dayne ist als leitender Assistenzarzt eingesprungen.«
»Und wohin geht Vivian?«
»Das ist ihr Problem, nicht das des Bayside-Hospitals.«
»Sie hat genau das getan, was sie hätte tun sollen.
Weitere Kostenlose Bücher