Kalte Herzen
aufpasse.«
»Tödliche Infektionen. Hat man das gesagt?«
»Schon möglich.«
»Hat man Ihnen gegenüber irgend etwas von einem Ausrutscher während der Operation erwähnt?«
»Einem was?«
»Während der Operation ist ein Skalpell ausgerutscht und hat die Milz aufgeschlitzt, was zu starken Blutungen führte.«
»Nein.« Der Mann beugte sich mit einem Ausdruck größter Sorge vor. »Mir ist so was passiert?«
»Wir würden gern die Fakten klären. Sie müssen uns nur Ihre Einwilligung zur Einsicht Ihrer Krankenakte geben.«
»Warum?«
»Es wäre in Ihrem Interesse zu erfahren, Mr. Flynt, ob der Verlust Ihrer Milz möglicherweise einem chirurgischen Kunstfehler zuzuschreiben ist. Wenn ein Fehler gemacht wurde, haben Sie unnötigen Schaden erlitten. Und dafür sollten Sie entschädigt werden.«
Mr. Flynt sagte nichts. Er sah den Jungen an, der dem Gespräch zuhörte und wahrscheinlich kein Wort verstand. Dann betrachtete er den ihm hingehaltenen Stift.
»Mit Entschädigung, Mr. Flynt«, sagte der Anwalt, »meinte ich Geld.«
Der Mann nahm den Stift und unterschrieb.
In seinem Wagen verstaute Sussman die unterschriebenen Formulare in seinem Aktenkoffer und griff erneut nach der Liste, auf der vier weitere Namen standen. Vier Unterschriften, die er noch bekommen mußte. Das sollte keine Probleme bereiten.
Gier und Vergeltung waren eine machtvolle Mischung. Er strich den Namen
Flynt, Harold
und ließ den Wagen an.
Zehn
E s war eine Schweineherz. Es wurde wahrscheinlich am Abend in mein Auto gelegt und hat den ganzen Tag in der Sonne gebacken. Ich bin den Gestank immer noch nicht los.«
»Der Mann will Sie fertigmachen«, sagte Vivian Chao. »Ich finde, Sie sollten mit allen Mittel dagegenhalten.«
Abby und Vivian stießen die Eingangstür auf und durchquerten die Halle bis zu den Fahrstühlen. Es war ein Sonntagnachmittag im Massachusetts General, und im Aufzug drängelten sich bereits Besucher mit Gute-Besserung-Luftballons, die über ihren Köpfen schwebten. Die Türen glitten zu, und der Duft von Nelken war regelrecht erdrückend.
»Wir haben keinen Beweis«, murmelte Abby. »Wir können nicht sicher davon ausgehen, daß er dahintersteckt.«
»Wer sollte es sonst sein? Sehen Sie sich an, was er schon getan hat. Er versucht, Ihnen einen Prozeß anzuhängen, er stößt sie in der Öffentlichkeit zu Boden. Ich sagen Ihnen, DiMatteo, es wird Zeit, Ihrerseits Anzeige zu erstatten.«
»Das Problem ist, daß ich ihn verstehen kann. Er ist angespannt. Seine Frau hat die Operation nicht so gut verkraftet.«
»Höre ich da einen Unterton von Schuld?«
Abby seufzte. »Es fällt mir schwer, mich nicht jedesmal schuldig zu fühlen, wenn ich an ihrem Bett vorbeikomme.«
Im dritten Stock stiegen sie aus und gingen den Flur hinunter zur Herzchirurgie.
»Er hat das Geld, Ihnen das Leben für eine lange Zeit zur Hölle zu machen«, sagte Vivian. »Eine Klage haben Sie schon am Hals. Und wahrscheinlich werden weitere folgen.«
»Ich glaube, sie sind schon unterwegs. Im Archiv hat man mir erzählt, daß es von Craig, Hawke und Sussman sechs weitere Anfragen auf Akteneinsicht gegeben hat. Das ist die Kanzlei, die Joe Terrio vertritt.«
Vivian blieb stehen und schaute sie an. »Sie werden Ihr gesamtes restliches Leben vor Gericht zubringen.«
»Oder zumindest so lange, bis ich kündige. Wie Sie.«
Vivian war weitergegangen, ihre Schritte so grimmig wie eh und je. Die kleine asiatische Amazone, die vor nichts Angst hatte.
»Wie kommt es, daß Sie sich nicht wehren?«
»Ich versuche es. Das Problem ist, daß wir es mit Victor Voss zu tun haben. Als ich den Namen meiner Anwältin gegenüber erwähnte, wurde sie um einige Schattierungen weißer, was für eine Schwarze eine erstaunliche Leistung ist.«
»Was hat Sie Ihnen geraten?«
»Sie meinte, ich solle die Sache auf sich beruhen lassen und mich glücklich schätzen, daß ich meinen Facharzt schon habe und mich überall als Chirurgin bewerben kann. Ich kann mir wenigstens einen neuen Job suchen oder eine eigene Praxis eröffnen.«
»Macht Voss ihr so viel Angst?«
»Sie wollte es nicht zugeben, aber es ist so. Er macht vielen Leuten angst. Ich bin nicht in der Position, mich zu wehren. Ich war verantwortlich, also rollt mein Kopf. Wir haben ein Herz gestohlen, DiMatteo, daran läßt sich nichts deuteln. Wäre es jeder andere gewesen als ausgerechnet Victor Voss, wären wir vielleicht ungeschoren davongekommen. Aber so muß ich bluten.«
Sie sah Abby an.
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