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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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eingeflogen wurde. Wir wußten auch nichts davon. Offenbar hat Voss keinem Yankee-Chirurgen zugetraut, die Operation durchzuführen. Also hat er einen Spezialisten einfliegen lassen.«
    »Aus Texas?«
    »Mit seinem Geld hätte Voss das ganze Baylor-Team einfliegen lassen können.«
    »Das heißt, die Entnahme hat tatsächlich im Wilcox Memorial stattgefunden?«
    »Nicholls sagt, er war dabei. Die Schwester, mit der du gesprochen hast, muß wohl bei den falschen OP-Berichten nachgesehen haben. Wenn du möchtest, kann ich ihn anrufen und es mir noch einmal bestätigen –«
    »Nein, vergiß es einfach. Es kommt mir mit einem Mal so dumm vor. Ich weiß nicht, was ich gedacht habe.« Sie seufzte und blickte zu ihrem Wagen, der an seinem gewohnten Platz am äußersten Ende des Parkplatzes stand. »Sibirien« nannten die Assistenzärzte die ihnen zugewiesene Parkfläche. Andererseits konnten sie als Sklaven sich glücklich schätzen, überhaupt einen eigenen Parkplatz zu haben. »Ich sehe dich dann zu Hause«, sagte sie. »Wenn ich noch wach bin.«
    Er legte seinen Arm um sie, zog ihren Kopf in den Nacken und küßte sie, ein müder Körper, der sich an den anderen klammerte.
    »Fahr vorsichtig«, flüsterte er. »Ich liebe dich.«
    Benommen vor Erschöpfung und dem Klang dieser drei Worte, die in ihrem Kopf widerhallten, überquerte sie den Parkplatz.
    Ich liebe dich.
    Sie blieb stehen und drehte sich um, um ihm nachzuwinken, doch er war schon hinter der Eingangstür verschwunden.
    »Ich liebe dich auch«, sagte sie und lächelte. Mit bereits gezückten Schlüssel wandte sie sich wieder ihrem Wagen zu, als ihr auffiel, daß der Knopf an der Fahrertür hochstand. Wie idiotisch. Sie hatte vergessen, den Wagen abzuschließen.
    Sie öffnete die Tür. Der erste faulige Hauch ließ sie zurückweichen. Der Gestank und das, was im Wagen auf sie wartete, drehte ihr den Magen um.
    Um den Schaltknüppel waren Gedärme gewickelt, die an einer Seite wie ein grotesker Wimpel über dem Steuer hingen. Auf dem Beifahrersitz war eine undefinierbare zerstückelte Masse verteilt. Und auf dem Fahrersitz lag, angelehnt an die Rückenlehne, ein einzelnes blutiges Organ.
    Ein Herz.
    Die Adresse war Dorchester, ein heruntergekommenes Viertel im Südosten Bostons. Er parkte gegenüber dem Haus und musterte den gedrungenen Kasten und den von Unkraut überwucherten Vorgarten. Ein Junge von etwa zwölf Jahren spielte in der Auffahrt und zielte mit einem Basketball immer wieder auf einen Ring, der über der Garage montiert war, ohne ihn auch nur einmal zu treffen. Der Kleine kriegte bestimmt kein Sportstipendium für das College. Nach dem in der Garage geparkten Schrottwagen und der schäbigen Erscheinung des Hauses zu urteilen, wäre ein Stipendium bestimmt willkommen gewesen.
    Er stieg aus dem Wagen und überquerte die Straße. Als er die Auffahrt betrat, blieb der Junge plötzlich stehen, preßte den Ball an seine Brust und musterte den Besucher mit unverhohlenem Mißtrauen.
    »Ich suche das Haus der Flynts.«
    »Ja«, sagte der Junge. »Das ist hier.«
    »Sind deine Eltern zu Hause?«
    »Mein Vater. Warum?«
    »Vielleicht könntest du ihm sagen, daß er einen Besucher hat.«
    »Wer sind Sie?«
    Er gab dem Jungen seine Visitenkarte. Der Junge las sie nur vage interessiert durch und wollte sie ihm zurückgeben.
    »Nein, behalte sie. Gib sie deinem Vater.«
    »Sie meinen, jetzt gleich?«
    »Wenn er nicht zu beschäftigt ist.«
    »Okay.« Der Junge ging ins Haus, und die Fliegengittertür fiel hinter ihm zu.
    Kurz darauf kam ein dicker Mann mit finsterer Miene nach draußen. »Sie wollen zu mir?«
    »Mr. Flynt, mein Name ist Stewart Sussman von der Kanzlei Hawkes, Craig und Sussman.«
    »Und?«
    »Soweit ich weiß, waren sie vor sechs Monaten als Patient im Bayside-Hospital.«
    »Ich hatte einen Unfall. Der andere war schuld.«
    »Ihre Milz wurde entfernt. Ist das richtig?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich bin zu Ihrem eigenen Besten hier, Mr. Flynt. Sie hatten eine schwerwiegende Operation, nicht wahr?«
    »Man hat mir gesagt, ich hätte sterben können. Das heißt wohl, daß sie schwerwiegend war.«
    »Sind Sie auch von einer Assistenzärztin namens Abigail DiMatteo behandelt worden?«
    »Ja, sie hat jeden Tag nach mir gesehen. Echt nette Frau.«
    »Hat sie oder einer der anderen Ärzte Sie über die Konsequenzen einer Milzentfernung unterrichtet?«
    »Sie haben gesagt, ich könnte mir üble Entzündungen einfangen, wenn ich nicht

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