Kalte Herzen
die wabbelige Hirnmasse heraus. »Nichts Außergewöhnliches«, stellte er fest und ließ es in einen Behälter mit Formalin gleiten.
»Jetzt kommen wir zum springenden Punkt. Zum Hals.«
Alles Bisherige war lediglich Vorbereitung auf das Folgende gewesen. Das Entfernen von Eingeweiden und Gehirn hatte die Drainage von Flüssigkeiten aus den Körperhöhlen ermöglicht, so daß Rowbotham die Halsweichteile jetzt unbeeinträchtigt ausräumen konnte.
Der Gürtel war entfernt worden, und Robowtham untersuchte den Abdruck, den er auf der Haut hinterlassen hatte.
»Der typische Abdruck, ein auf dem Kopf stehendes V«, bemerkte er laut. »Sehen Sie hier, Slug, die parallelen Strangulationsmarken entsprechen der Breite des Gürtels. Und hier hinten, sehen Sie das?«
»Sieht aus wie der Abdruck der Gürtelschnalle.«
»Genau. So weit keine Überraschungen.« Rowbotham nahm sein Skalpell und begann die Öffnung des Halses. Inzwischen hatte sich Lundquist erholt und war wieder an den Tisch getreten. Übelkeit ist so befriedigend demokratisch, dachte Katzka. Sie zwang auch muskelbepackte junge Polizisten mit vollem Haar in die Knie.
Rowbotham hatte mit seiner Klinge bereits die Haut an der Vorderseite des Halses aufgetrennt. Er schnitt tiefer und legte die großen, perlmuttweißen Schildknorpelhörner frei.
»Keine Frakturen. Ein paar Einblutungen in die Zungenbeinmuskulatur, aber Schildknorpel und Zungenbein scheinen beide unversehrt zu sein.«
»Was bedeutet das?«
»Gar nichts. Erhängen verursacht nicht zwangsläufig Verletzungen der Halsweichteile. Der Tod tritt allein deshalb ein, weil die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird.
Erforderlich ist nur die Unterbrechung der Halsschlagader. Eine ziemlich schmerzlose Art, sich umzubringen.«
»Sie scheinen ziemlich sicher zu ein, daß es Selbstmord war.«
»Die einzig andere Möglichkeit wäre ein Unfall. Oder autoerotische Asphyxie. Aber dafür haben sich, wie Sie sagen, keine Beweise gefunden.«
»Sein Reißverschluß war noch zu«, sagte Lundquist. »Sah nicht so aus, als hätte er sich einen runtergeholt.«
»Das heißt, wir haben es mit Selbstmord zu tun. Mord durch Erhängen kommt so gut wie nie vor. Wenn jemand vorher gewürgt worden wäre, würden die Strangulationsmale anders aussehen. Nicht dieses umgedrehte V. Und wenn man den Kopf eines Mannes gewaltsam in eine Schlinge zwingt, würde das sicher zusätzliche Verletzungen hervorrufen. Er würde sich wehren.«
»Und dieser Bluterguß auf der linken Schulter?«
Rowbotham zuckte die Schultern. »Er hätte sich auf alle möglichen Arten verletzen können.«
»Was, wenn man ihn betäubt hat, bevor er erhängt wurde?«
»Wir machen ein toxikologisches Skreening, Slug. Nur um Sie glücklich zu machen.«
»Und wir wollen unseren Slug doch glücklich machen«, meinte Lundquist lachend. Er entfernte sich von dem Tisch und fing an, seinen Kittel auszuziehen. »Es ist vier Uhr. Kommst du, Slug?«
»Ich würde die Halssektion gern noch zu Ende angucken.«
»Was immer dich antörnt. Ich sage, wir einigen uns auf Selbstmord und belassen es dabei.«
»Das würde ich gern. Wenn da nicht das Licht wäre.«
»Welches Licht?« fragte Rowbotham, und die Augen hinter seiner Schutzbrille funkelten zum ersten Mal interessiert auf.
»Slug stört sich an dem Licht in dem Zimmer«, erläuterte Lundquist.
»Man hat den erhängten Dr. Levi in einem unbenutzten Patientenzimmer des Krankenhauses gefunden«, erklärte Katzka.
»Der Arbeiter, der die Leiche gefunden hat, war sich beinahe sicher, daß das Licht aus war.«
»Und weiter?« sagte Rowbotham.
»Nun, die Todeszeit, die Sie festgestellt haben, deckt sich mit unserer Hypothese. Dr. Levi ist am sehr frühen Samstagmorgen gestorben, lange vor Sonnenaufgang. Was bedeuten würde, daß er sich entweder im Dunkeln aufgehängt hat, oder daß jemand anderes das Licht ausgemacht hat.«
»Oder der Arbeiter kann sich nicht daran erinnern, was er gesehen hat«, ergänzte Lundquist. »Der Typ hat sich über der Toilette die Eingeweide aus dem Körper gekotzt. Meinst du, der würde sich dran erinnern, ob das Licht an oder aus war?«
»Es ist nur ein Detail, was mich beschäftigt.«
Lundquist lachte. »Mich kümmert’s nicht«, sagte er und warf seinen Kittel in den Wäschesack.
Es war fast sechs Uhr, als Katzka seinen Volvo auf den Parkplatz des Bayside-Hospitals steuerte. Er stieg aus, ging zur Empfangshalle und nahm den Aufzug in den zwölften Stock.
Ohne
Weitere Kostenlose Bücher