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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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behalte und selbst wenn heute niemand mehr ernsthaft bestreitet, dass zumindest an meinen Fragen einiges dran ist, wird sich daran nichts mehr ändern. Und was die Antworten betrifft, so kann ich nur hoffen, dass das wenigstens mal in den Geschichtsbüchern nicht mehr nach Staatsräson, sondern nach dem Wahrheitsgehalt beantwortet werden wird.«
    »In den Geschichtsbüchern. Meinen Sie denn, dass die Angelegenheit so groß ist, dass sie da mal reinkommen wird?«
    Hagen lächelte hintersinnig. »Je länger das Dilemma andauert, in dem die europäischen Regierungen stecken, weil die Wirtschaft nicht mehr in Schwung kommt, umso mehr glaube ich das.«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    Wieder schwieg Hagen eine Weile. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Das müssen Sie schon selbst herausfinden. Ich sage nur: Das Problem ist heute nicht sehr viel anders als damals. Es wird ja immer behauptet, Ritter sei ermordet worden, weil er den Vorständen und Aufsichtsräten der Nationalbank nicht mehr ins Kalkül passte. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass das auch meine langjährige These war. Es passte auch zu schön: Spitzenbanker entdeckt sein Gewissen, pinkelt seinen Kollegen ans Bein, und sie sorgen dafür, dass er keinen Ärger mehr macht, indem sie ihn abschaffen.«
    »Sie haben die Geheimdienste dafür verantwortlich gemacht«, warf Natascha ein.
    »Aber ja. Genau genommen bin ich noch weiter gegangen. Ich habe nach der Verantwortung gefragt und festgestellt, dass ein solches Mordkomplott nur von ganz oben diktiert worden sein konnte.«
    »Vom Bundeskanzler?«
    »Warum nicht? Wäre das so völlig undenkbar?« Er hob die Hände. »Aber das steht zu der These der mordenden Banker doch überhaupt nicht im Widerspruch. Die waren alle dicke damals. Der Kanzler, sein Minister, der Geheimdienstkoordinator, der Verfassungsschutz und die Nationalbanker. Bis auf Ritter. Der hat immer Abstand gehalten.«
    »Er hat den Kanzler beraten!«
    »Stimmt. Aber er hat nicht gesagt, was der Alte hören wollte, sondern was er dachte. Das hat ihm der Alte übel genommen.«
    »Verstehe.« Natascha blätterte in den Unterlagen, ohne ein System darin erkennen zu können. »Aber was ich nicht verstehe, ist, weshalb Sie dann jetzt offenbar anderer Ansicht sind.«
    »Das bin ich gar nicht«, erklärte Hagen. »Es war nur die Fragestellung falsch.«
    »Sie verwirren mich, Herr Hagen.«
    »Das ist nicht meine Absicht. Ich sage nur, die interessante Frage ist keineswegs die nach der Verantwortung.«
    »Sondern?«
    »Die entscheidende Frage ist die nach dem Motiv. Und da können Sie aus der Gegenwart einige spannende Parallelen ziehen. Ich sage nur Schuldenkrise. Wenn Sie sich jemals gewundert haben, weshalb niemand offensiv für einen Schuldenschnitt eintritt, der das Problem ein für alle Mal lösen würde, dann denken Sie daran, was mit Ritter passiert ist.« Hagen erhob sich. Er setzte seine Brille wieder auf, streckte die Hand aus, um Natascha den Ordner abzunehmen. »Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie mich besucht haben«, sagte er und ging voraus. »Das war mutig von Ihnen, auch wenn es vielleicht nicht klug war.« Dann führte er Natascha Eusterbeck die Treppe hinunter und brachte sie zur Gartentür, wo er ihr wortlos winkte, um dann so geheimnisvoll, wie er aufgetaucht war, wieder im Nebel zu verschwinden. Natascha fröstelte. Sie hatte das ungute Gefühl, dem Mann kein Glück gebracht zu haben.
    Als sie sich umdrehte, hörte sie Schritte, die sich rasch entfernten. Sehen konnte sie nichts.
    *
    Henrik hatte seine Hausaufgaben gemacht. Für Natascha ein Dossier über Lars von Wintersleben …
    Vater Literaturwissenschaftler, Mutter Sopranistin. Nach dem Studium der Medizin (Fachrichtung Radiologie; zwei Jahre Assistenzarzt an der Berliner Charité) wechselte Wintersleben in die Finanzbranche. Als Assistent von Nationalbank-Chef Alfred Ritter arbeitete er an einem neuen Konzept der Großbank mit und spielte für seinen Vorgesetzten den Geheimdiplomaten in der Abstimmung mit den Vorständen anderer Geldinstitute. Nach Ritters Tod Wechsel zur State Street Bank (1990) und zu Benson Tides (1993). Seit 1998 Vorstand des Bankhauses Schätzing, seit 2001 Vorstandsvorsitzender. Seit seiner Zeit bei Benson Tides (wo er Partner war) spezialisiert auf Firmenübernahmen und Fusionen. Dabei gilt er als besonders aggressiver Marktteilnehmer. Mehrfach wurde er angegriffen, weil er Mitbewerbern »Deals geklaut« haben soll. Gilt als »bestvernetzter

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