Kalte Macht: Thriller (German Edition)
Manager« in Deutschland und als Urheber mehrerer spektakulärer Firmenübernahmen. Sitzt in mehreren Aufsichtsräten. Teilhaber u.a. bei Krieger & Partner (Anwalts- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), Zuger Bank AG .
Bemerkenswert seine Aussagen zur gesellschaftlichen Verantwortung der Finanzbranche: »Banker und Börsianer sind keine Wohlfahrtsverbände.« – »Wir arbeiten nicht für andere, sondern für uns.« – »Vom Parkett sollte sich fernhalten, wer nicht tanzen kann.« – »Geld gehört nicht in die Hände von Menschen, die nicht damit umgehen können.«
Offenbar ein besonderer Widerling. Henrik Eusterbeck wunderte sich immer wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit Natascha – ja, und auch er – inzwischen in Kreisen verkehrten, die sie früher verachtet und über die sie sich vor gar nicht langer Zeit zumindest noch lustig gemacht hatten. Ein paar Dutzend Mails im Eingang. Darunter etliche, die mit seinen Recherchen zu tun hatten. Der Verwaltungschef des Kanzleramts, Traub, hatte ihm einige Strukturpläne geschickt, läppisches Zeug, das sich jeder aus dem Internet herunterladen konnte. Vom Sicherheitschef hatte er einige konkrete – und zugleich ausweichende – Antworten auf diverse Sicherheitsfragen zum Intranet des Kanzleramts bekommen. Offenbar traute Jäger Henriks Verschlüsselung nicht. Vielleicht ja zu Recht. Da war noch einiges möglich. Und eine Mail mit unbekanntem Absender: »Es gibt keine Spur. Sie leben gefährlich.«
Es gibt keine Spur wohin, dachte Henrik. Etwas, das ohne Spur war, blieb spurlos. Spurlos wie das Verschwinden jener Frau, die auf dem Foto mit Michelle abgebildet war. Aber wer konnte davon wissen, dass er sie suchte? Er erinnerte sich an die SMS , mit der ihm jemand eine unmissverständliche Warnung geschickt hatte, als er in ihrer Wohnung war. Konnte irgendjemand ahnen, dass Natascha immer noch nach ihr forschte? Henrik klappte das Notebook zu und schloss die Augen. Natürlich war es möglich, dass Natascha verfolgt worden war, als sie in dieser Hilfseinrichtung für Huren gewesen war. Vielleicht war auch Petra Reber unvorsichtig gewesen, als sie sich in der Schule nach dem Mädchen erkundigt hatte. Oder aber … Der Verdacht kroch wie ein eisiges Reptil in seine Eingeweide. Warum bloß hatte er daran noch nicht gedacht?
*
Sie parkte vor dem Haus, obwohl sie im Halteverbot stand. Doch die Streifen in den Hackeschen Höfen kannten ihr Kennzeichen und wussten, dass sie ihr als Abgeordneter des Deutschen Bundestags kein Knöllchen geben durften. Um in die Tiefgarage zu fahren, dafür fehlten ihr jetzt die Nerven. Es war schon spätabends, und auf den Straßen wurde es ruhiger. Auf der anderen Straßenseite parkte in geringer Entfernung ein Wagen, in dem jemand saß. Sie konnte seine Umrisse deutlich erkennen. Mit einem Gefühl der Beklemmung öffnete sie die Haustür und drückte sie schnell wieder hinter sich ins Schloss. Dann erst machte sie Licht und holte den Aufzug. Sie musste an den Artikel denken, den Wilhelm ihr besorgt hatte. Aber Walther Brass wird besser verstehen als alle anderen, wie nötig es ist. Schmerzhafte Schnitte und Leiden. Als sich die Aufzugtür vor ihren Augen schloss, hatte sie das Gefühl, als drücke ihr jemand die Kehle zu. Sie atmete tief durch und versuchte, ruhig zu bleiben. Sie hätte die Treppe nehmen sollen. Es waren nur die Füße. Nach einem langen Tag in den Pumps taten sie ihr einfach zu weh, um noch nach oben zu laufen.
Als sie aus dem Lift stieg, erlosch das Licht im Treppenhaus, und sie stand im Dunkeln. Sie lauschte. Es war alles ruhig. Nur aus der Wohnung drang leise Musik. Henry war noch wach. Sie war so erleichtert, dass sie ganz schwache Beine bekam. Mit zitternden Fingern sperrte sie auf. Die Wohnung war hell erleuchtet. Und hier drinnen war die Musik erstaunlich laut. Zu laut für diese Uhrzeit. Außerdem war es eine seltsame Kakophonie, aus der immer wieder Sequenzen herausblitzten, die sie zu kennen glaubte. Sie streifte ihre Schuhe ab und ging ins Wohnzimmer, das aber leer war. Jazz, laut. Auch im Schlafzimmer war niemand. Beethoven, noch lauter. Und auch im Arbeitszimmer war Henrik Eusterbeck nicht zu finden. Radiomusik, eindeutig zu laut. Als sie die Tür zum Badezimmer aufstieß, aus dem ebenfalls Jazz tönte, hätte sie beinahe einen Schrei ausgestoßen. Ein Paar Beine ragte ihr entgegen, eindeutig die Beine von Henry. Er lag lang ausgestreckt auf dem Boden, den Kopf unter dem Waschbecken. »Henry!«,
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