Kalte Macht: Thriller (German Edition)
ihm spricht.
»Danke, Herr Dr. Ritter. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie das sagen.«
»Und ich weiß es zu würdigen, dass Sie mir so treu waren.«
»Waren?«
»Sind, mein lieber Eck. Sind.«
8:37:29 Uhr. Der Konvoi erreicht die Theresenstraße und biegt in nördlicher Richtung in die Limburger Straße ein. Das ausgescherte Fahrzeug ist nicht zu sehen.
DREI
G u ten Tag, Frau Eusterbeck.« Die Stimme am Telefon klang nach Professionalität und Resignation. »Hier ist das Vorzimmer von Herrn Dr. Steiner. Der Chef würde Sie gerne nachher zum Mittagessen treffen. Hätten Sie Zeit? Vielleicht gegen 13.15 Uhr?«
Natascha Eusterbeck hatte das Gefühl, als würde sich ihr Leben um den Faktor X beschleunigen. »Aber ja«, antwortete sie, ohne auch nur auf ihren Kalender zu schauen. Wenn der Kanzleramtsminister rief, stand es ihr nicht an, nicht zu folgen. »Wo treffen wir uns denn?«
»In der Kantine? Ich habe schon einen Tisch reserviert.«
»In der Kantine. Okay. Geht klar.«
Die Vorzimmerdame zögerte kurz. »Sie wissen, was mit Kantine gemeint ist?«
»Ich nehme an, wenn Sie Kantine sagen, meinen Sie Kantine?«, erwiderte Natascha verwirrt. Das Lächeln am anderen Ende der Leitung war unüberhörbar. »Kantine nennen wir hier das Borchardt.«
»Oh. Okay. Ich werde da sein. 13.15 Uhr. Danke.«
»Ich habe zu danken. Auf Wiederhören.«
»Auf Wiederhören.«
Sie legte auf. Das Borchardt. Eigentlich ein schönes Restaurant mit exzellenter Küche. Dennoch ging sie nicht gerne hin, weil Leute wie Steiner immer wieder einen solchen Affenzirkus daraus machten. Es wunderte sie nicht, dass er sie ausgerechnet dort treffen wollte. Steiner suchte die Öffentlichkeit, sooft er nur konnte. Es war offensichtlich ein Ausdruck einer übersteigerten Geltungssucht. Wer einen Gourmettempel in Mitte Kantine nannte, der war ganz oben angekommen. Da gab es nichts mehr drüber. Es passte zu Steiner. Der blickte schließlich auf alles herab. Er war ein Parvenü. Sicher, das waren viele in der Politik. Eine politische Karriere war geradezu die klassische Leiter für Emporkömmlinge. Der Ex-Kanzler war das beste Beispiel dafür. Er hatte das Borchardt ja gewissermaßen zum Polit-Treff gemacht, indem er sich dort mit seiner Cohiba-Camarilla getroffen hatte. Vor allem um gesehen zu werden.
Natascha blickte auf die Uhr. Kurz nach zwölf. Es blieb ihr nicht mehr viel Zeit, sich einzurichten. Sie stellte ein Bild von Henrik auf ihren Schreibtisch. Dann räumte sie die Materialien, die fein säuberlich angeordnet waren, nach ihrem Geschmack und ihren Bedürfnissen um. Den Eishockey-Puck, mit dem sie vor fast zwanzig Jahren den Siegtreffer bei der Juniormeisterschaft geschossen hatte und der sie seither auf allen Stationen ihres Lebens begleitete, legte sie als Briefbeschwerer auf ihre Unterlagen. Sie rückte die kleine Sitzgruppe gegenüber dem Schreibtisch so, dass sie näher am Fenster stand und dass man, wenn man sich dorthin setzte, nach draußen blickte. Sie sah den Inhalt aller Schubladen durch, bestellte noch einige Büroartikel, sortierte anderes aus. Als sie wieder auf die Uhr schaute, war es zehn vor eins. »Ich muss los!«, rief sie ihrer Sekretärin zu. »Rufen Sie mir ein Taxi an den Haupteingang.«
Als sie an der Pforte ankam, stand der Wagen schon bereit. »Zum Borchardt, bitte.«
Der Fahrer murrte. Solche Fahrten waren nicht beliebt: sich einmal auf drei Kilometern durch Mitte zu quälen warf absolut nichts ab. »Sie bekommen ein anständiges Trinkgeld«, sagte Natascha, die das Problem kannte. Der Fahrer nickte und fuhr schweigsam hinüber zum Brandenburger Tor, Unter den Linden entlang bis zur Charlottenstraße, von wo er nach ein paar hundert Metern abbog. Als sie aus dem Taxi stieg, lag der rote Gründerzeitbau im hellen Sonnenlicht vor ihr wie eine Insel zwischen den angrenzenden architektonischen Scheußlichkeiten. Unter der Markise stand ein junger Mann in der Uniform des Obers und nickte ihr freundlich zu. »Guten Tag im Borchardt.«
Drinnen wurde sie zu einem noch leeren Tisch im rückwärtigen Teil des Restaurants geführt. »Herr Dr. Steiner ist noch nicht da«, erklärte ihr der Kellner. »Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?«
»Ein Wasser. Still. Danke.« Sie musste trinken. Sie spürte es schon an ihrer Haut, dass sie zu wenig Flüssigkeit zu sich nahm. Das war nicht nur ungesund, es war auch unprofessionell. Wer genügend Wasser aufnahm, konnte sich besser konzentrieren. Der Kellner
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