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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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können? Dass sie eine Tochter aus gutem Hause war? Dass sie ihrem Vater gefallen wollte? Dass sie es in ihrer politischen Karriere zu leicht gehabt hatte? Dass sie zu wenige wertvolle Beziehungen hatte? Zu vage politische Überzeugungen? Zu wenig Ehrgeiz? Zu viel? Sie blätterte weiter:
    Dr. jur. Gero Mai
    geb. 20. September 1956 in Bad Godesberg. Widersprüchliche Angaben über seine Jugendjahre …
    Eine interessante, undurchsichtige Figur. Ein einst mächtiger Politiker, der sich – nachdem er von der Kanzlerin abgesägt worden war – in die Wirtschaft zurückgezogen hatte und im Übrigen noch den einen oder anderen Posten aus Gründen des Prestiges oder des Einflusses innehatte. Einige Aufsichtsratsposten, den Vorsitz der Transatlantischen Allianz … Immer mal wieder wurde er als politischer Schläfer zitiert, wenn es um den Aufbau einer starken bürgerlichen Alternative ging. Doch für einen Putsch fehlten ihm die Truppen und für eine neue Partei die Popularität.
    Danach kam Bernhard Bauer, der persönliche Assistent der Kanzlerin. Auch sein Leben war auf weniger als einem Blatt Papier zusammengefasst, beinahe schon mutete Natascha dieser Stil, der ja dem Zweck völlig angemessen war, wie eine Sammlung von Epigrammen an, in Bauers Fall sogar noch mehr, da er nicht so viel hergab. Ein politisches Leichtgewicht, das sich über die Beamtenlaufbahn im höheren Dienst ins Amt gemogelt hatte. Von der Kanzlerin aus dem Nichts geholt und im Zentrum der Macht nahezu unsichtbar wirkend. Das einzig Interessante an seinem Leben schien zu sein, dass er vier Kinder hatte – und das, obwohl er bei dem Job so gut wie nie zu Hause sein konnte. Keine Nebentätigkeit in der Wirtschaft. Keine Skandale. Keine Seilschaften, jedenfalls keine ersichtlichen.
    Auch der Bundesinnenminister war mit eher nichtssagenden Aufzeichnungen vermerkt. Ebenso der Vorstand der Wilfried-Bölcke-Stiftung und Ex-Wirtschaftsminister. Das Einzige, was bei ihm auffiel, war sein unglaubliches Netzwerk. Praktisch alle, die Natascha irgendwie kannte, kamen in seinem Profil vor, und das, obwohl er schon lange keinerlei aktive Rolle mehr in der Politik spielte. Wenn man seine Position als graue Eminenz unberücksichtigt ließ. Henrik hatte seinem Lebenslauf allerdings auch noch ein Blatt über die Wilfried-Bölcke-Stiftung angehängt, das aufführte, wie vielfältig vernetzt diese parteinahe Einrichtung war und – vor allem interessant – von wem sie gesponsert wurde. Auch da gaben sich die großen Namen die Klinke in die Hand: vom BDI über den Bundesverband der Chemischen Industrie über die Zentralräte der Juden, aber auch der Muslime, die großen Kultureinrichtungen der führenden Konzerne, Natascha unbekannte Stiftungen in der Schweiz und in Liechtenstein und so weiter.
    Dann pflückte sie die Zusammenfassung der Informationen über Finanzminister Rau aus dem Stapel, und ihr Herzschlag beschleunigte sich.
    Dr. oec. Alexander Rau
    geb. 15. März 1943 in Tübingen. Vater badischer Landespolitiker, Mutter Hausfrau. Friedrich-Reuter-Gymnasium, Abitur. Betriebswirtschaftsstudium an der Uni Tübingen und an der Freien Universität Berlin, Promotion zum Dr. oec. Mit 21 Jahren Eintritt in die Jugendorganisation der Partei, studentisches Engagement, mit 30 Wahl in den Bundestag (seither immer in Direktwahl). Rau ist einer der dienstältesten Abgeordneten und hat nahezu alle machtpolitischen Ämter ausgeübt. Geschäftsführer der Fraktion, Fraktionsvize und Vorsitzender, parlamentarischer Staatssekretär, Kanzleramts-, dann Innenminister (Ritter-Affäre) unter Walther Brass (in beiden Ämtern mit Claus Weigand als Referent). »Kronprinz«, bis Brass ihn fallen ließ, weil er nicht mehr loyal hinter ihm stand (Rau wollte als Kanzlerkandidat antreten, Brass wollte es noch einmal machen). Bei einem Unfall (es gibt erhebliche Zweifel, ob es wirklich ein Unfall war) hat er den linken Unterschenkel verloren. Seither trägt er eine Prothese und geht an Krücken.
    Rau hat ein bemerkenswertes Skandal-Register. Praktisch jede Schweinerei aus der Amtszeit von Brass ist auch mit seinem Namen verbunden, darunter die hoch umstrittenen Gesetze zur Inneren Sicherheit, auf die sich später Abhörspezialisten berufen haben, die die Opposition ausspähten, fragwürdige Waffenlieferungen, Parteispendenaffären und natürlich der Steuerskandal, über den Brass am Ende gestürzt war. Überall hatte Rau seine Finger dringehabt.
    Natascha musste lächeln. Da war ganz

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