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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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    »Wir hören uns zuerst einmal an, was die andere Seite sagt«, erklärte Hans Steiner. »Es geht nicht darum, eine schnelle und billige Lösung zu finden. Wir wollen einen tragfähigen Kompromiss …« Keiner schrieb mit. Alle warteten, bis er seinen Sermon abgelassen hatte. Dann fragte der Journalist erneut die Kanzlerin: »Frankreich wird einen Schuldenschnitt auf jeden Fall verhindern wollen. Steht Deutschland nicht langsam allein da mit seiner Verweigerungshaltung?«
    »Der amerikanische Präsident hat mir eben am Telefon erklärt, dass er unsere Position unterstützt. Auch er ist inzwischen überzeugt, dass ein Schuldenschnitt die bessere Lösung ist. Sie wissen ja, dass ich von dieser Option lange nicht begeistert war. Aber wenn sich die Bedingungen ändern, dann muss sich auch die Position ändern.«
    »Welche Bedingungen haben sich denn so grundlegend geändert, Frau Bundeskanzlerin?«, wollte ein Korrespondent von der Zeit wissen.
    »Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen«, orakelte die Kanzlerin, um dann rasch mit allgemeinen Einordnungen nachzusetzen: »Wenn Deutschland als Modell für den Euroraum gelten soll, dann müssen die Grundlagen unseres Erfolgs unangetastet bleiben. Wir können nicht jedes Stabilitätskriterium aufgeben, unseren Finanzsektor in Schieflage bringen und unsere Exportstärke aufgeben – und zusätzlich Europa vor dem Untergang retten. Es wird ja vielfach gefordert, dass wir unsere Stärke endlich dazu nutzen, die kleineren Staaten aus dem Sumpf zu ziehen. Das Problem liegt darin, dass wir eben keine Stärken mehr haben, wenn wir das tun. Dann sind wir so geschwächt, dass es keinen funktionstüchtigen Motor mehr in Europa gibt.«
    »Und dann gute Nacht«, fügte Steiner hinzu, als wäre es eine Erkenntnis.
    »Stimmt es, dass die Bonität der USA herabgestuft wurde?« Es war ein Kollege vom Spiegel , der die Frage in den Raum stellte. Natascha erkannte sofort, dass die Luft augenblicklich brannte. Offensichtlich hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Sogar die Kanzlerin, deren unerschütterliches Gemüt legendär war, musste schlucken. »Wie kommen Sie darauf?«, fragte sie, etwas schriller als üblich, und jeder wusste, dass allein diese Gegenfrage eine Bestätigung war. Darüber also hatte sie mit dem amerikanischen Präsidenten gesprochen, dachte Natascha. Die Amerikaner mussten plötzlich höhere Zinsen zahlen. Da käme ihnen ein Schuldenschnitt entgegen, anders als bisher.
    »Quellenschutz«, sagte der Spiegel -Reporter.
    »Tja, dann können wir das auch nicht kommentieren«, erwiderte Hans Steiner.
    Es ging dann noch einige Zeit hin und her, doch die eingangs gute Stimmung war verflogen. Offensichtlich hatte es die Kanzlerin übel genommen, dass Vertreter der Presse selbst im Kanzlerflugzeug am Himmel über dem Niederrhein auf dem Weg nach Paris mindestens so schnell über weltbewegende Neuigkeiten informiert waren wie sie. Natascha Eusterbeck wusste, dass sie vor allem aus protokollarischen Gründen mit auf dieser Reise war. Dennoch kränkte es sie, so vollständig zur Staffage zu gehören. Sie war fehl am Platze und deshalb froh, als das Meeting beendet war. David Berg, der direkt neben der Kanzlerin saß und die Besprechung beendete, indem er sich demonstrativ erhob, verabschiedete die Journalisten mit der Bemerkung: »Und das war alles unter drei.«
    »Unter drei?«, fragte Natascha, als sie wieder auf ihren Plätzen im VIP -Bereich saßen.
    »Sagt man so. Wir könnten auch sagen unter uns .«
    »Verstehe. Das heißt, wir dürfen nicht darüber reden, was wir von den Journalisten erfahren haben.«
    David Berg lachte herzlich. »Gut pariert!«, sagte er. »Das wird in meine ewige Anekdotensammlung eingehen.«
    »Tut mir leid. Quellenschutz.«
    *
    Politik ist rein körperlich ein ruinöses Geschäft. Vor allem für Frauen. Und vor allem für deren Füße. Als Natascha Eusterbeck am Ende eines langen Tages, nach einem Verhandlungsmarathon, nach Arbeitsessen und einem weiteren Verhandlungsmarathon endlich in ihr Hotelzimmer kam, hatte sie das Gefühl, als fielen die Füße gleich mit den Schuhen ab. Sie setzte sich aufs Klo, genoss die Bodenfliesen des Badezimmers, die ihre wunden Sohlen kühlten, und rief Henrik an. »Hallo, Henry.«
    »Oh, spricht da etwa meine Frau?«
    »Das, was von ihr übrig ist.«
    »So schlimm?«
    »Schlimmer. Diese Verhandlungen sind ja vor allem ein physischer Vernichtungskrieg. Sie sitzen da, stundenlang, und tauschen ewig die gleichen

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