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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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aufmachen?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    Betont liebevoll öffnete er das eine Päckchen, das leichtere. Darin befand sich eine hübsche mit Stoff bezogene kleine Schachtel, in die ein Schlips gerollt war, dessen spitzes Ende auf ihn zeigte, darauf ein Eiffelturm, golden auf blauem Grund. »Die königlichen Farben«, sagte er. »Sie ist wunderschön.«
    »Na ja. Aus dem Duty-free-Shop. Was man da eben so bekommt.« Sie trank ihr Glas in einem Zug leer.
    »Und in dem anderen?« Er griff nach dem schwereren Päckchen, überhörte das leise Gluckern und schickte sich an, es mit neugieriger Miene auszupacken. Doch Natascha winkte ab. »Lass nur. Ist nur ein Rasierwasser. Kannst es zu Hause auspacken.«
    »Aber nein, ich bin gespannt, welchen Duft du mir ausgesucht hast!« Er knüllte das Papier, in das die Krawatte verpackt gewesen war, zusammen und steckte es in seine Jacketttasche.
    Der Ober kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Henrik schickte ihn noch einmal weg, um die Bescherung zu Ende zu bringen. Es war ein Duft von Dior. »Riecht ein bisschen nach nassem Hund«, stellte Natascha fest, als er ihr sein besprühtes Handgelenk hinhielt.
    »Nach begossenem Pudel vermutlich«, sagte Henrik. »Komm schon, sei mir wieder gut.«
    »Ich bin dir doch gut.«
    »So wirkst du nicht.«
    »Und wie wirke ich?«
    »Du wirkst wie eine Frau, die …« Er hielt inne. Sie sahen sich an. Es war beiden klar, dass ein Satz, der so begann, nur in einem Albtraum enden konnte. Die Worte blieben im Raum stehen. Der Ober kam noch einmal, um die Bestellung aufzunehmen, doch sie hatten beide keinen Appetit mehr. Stattdessen bezahlte Henrik den Prosecco und seine zwei Gläser Weißwein, dann machten sie sich auf den Weg nach Hause. So schweigsam, wie sie den Abend beschlossen. So in sich zurückgezogen, wie sie das Licht löschten und auf den Atem des jeweils anderen hörten, ohne noch etwas zu unternehmen, sich oder einander zu trösten. Trostlos, das war Natascha Eusterbecks Gedanke, ehe sie einschlief. Ihre Ehe war ziemlich trostlos geworden.

Wiesbaden, Landesverfassungsschutz, 31.10.1989, 8:38:40 Uhr.
    »Zentrale?«
    »Ja?«
    »Zwei Zivilisten in Nähe des Einsatzortes.«
    »Verdammt, warum … Sind sie in Sichtnähe?«
    »Einer ja. Wenn er auf Kurs bleibt, wird er Augenzeuge.«
    »Moment.« Eine kurze Unterbrechung. Dann: »Operation wird fortgeführt. Versuchen Sie, die Aufmerksamkeit des Zivilisten vom Einsatzort abzulenken.«
    »Dafür haben wir nicht mehr genug Zeit.«
    »Okay. Dann entfernen Sie sich so schnell wie möglich vom Einsatzort.«
    »Aber die Einsatzmittel …«
    »Lassen Sie, wo sie sind. Die holen wir später ab. Die Kollegen verfahren wie besprochen, verstanden?«
    »Verstanden. Over.«
    8:39:25 Uhr. Ein Augenzeuge wird später berichten, dass er eine verdächtige Person vom Tatort hat flüchten sehen.

SECHS

    N a ta scha Eusterbeck gab sich keinen Illusionen hin. Dass sie zum Empfang anlässlich des sechzigsten Geburtstags von Nationalbank-Chef Feldmann im Kanzleramt eingeladen war, hing nicht mit ihrer herausragenden Bedeutung zusammen, sondern damit, dass der Verwaltungschef Traub Schwierigkeiten gehabt hatte, eine hinreichend hochkarätige und zugleich diskrete Mischung von Gästen zu organisieren. Feldmann selbst hatte gut die Hälfte der Gäste benennen können, der Rest hatte auf der Liste der Kanzlerin gestanden. Bei solchen Anlässen ging es vor allem darum, Verbindlichkeiten aufzubauen und Abhängigkeiten zu schaffen. Feldmann war der mit Abstand mächtigste Manager der Bundesrepublik. Wer sich in der Politik mit ihm schlecht stellte, hatte weite Teile der Wirtschaft gegen sich – nicht weil Feldmann so beliebt gewesen wäre, sondern weil er die Mittel hatte, einen Großteil der Unternehmer auf seine Linie zu bringen: Er saß am Geldhahn. Wenn er den zudrehte, war es, als würge er mit kalter Hand eine Hauptschlagader ab.
    Dennoch – oder gerade deswegen – drängten Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppierungen sich danach, mit ihm in Kontakt zu treten und Umgang zu pflegen. Eine nützliche Erscheinung, denn so konnte die Kanzlerin zwei Seiten einen Gefallen tun: Mit der Einladung signalisierte sie die herausragende Bedeutung, die Feldmann auch bei ihr und damit an politisch höchster Stelle genoss, durch die Auswahl der Gäste konnte sie Gefälligkeiten erweisen, für die sie später Gegengefälligkeiten einfordern konnte. So waren die Regeln.
    Dabei spielte es keine Rolle, dass sie Feldmann

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