Kalte Macht: Thriller (German Edition)
sind.«
»Verstehe«, sagte Natascha, die nicht verstand. Wenn man ihren Auftrag als eine Art geheimdienstliche Tätigkeit für die Kanzlerin betrachtete, dann konnte es doch keinesfalls dazu passen, dass sie sich in den Vordergrund spielte. »Ich war der Annahme, dass ich als graue Maus weiterkäme.«
»Trotzdem. Sie sind gefragt. Im Ton können Sie gerne zurückhaltend bleiben. Aber in der Sache sollten Sie jetzt mal etwas vorlegen. Wir fangen am besten mit einer Abteilungsleiterkonferenz an, auf der Sie Ihre Ideen und Ziele formulieren. Sagen wir Donnerstag?« Sie wartete nicht auf Antwort, sondern drückte auf die Gegensprechanlage und wies ihre Sekretärin an: »Setzen Sie eine Abteilungsleiterkonferenz für Donnerstag auf die Agenda. Frau Eusterbeck und die Strukturreform im Kanzleramt. – Wer? – Ja, stellen Sie durch.« Sie griff zum Hörer und nahm ein Gespräch an, das gerade in der Leitung gewesen war. Mit einem Nicken signalisierte sie, dass die Unterredung beendet war. Natascha verließ das Kanzlerbüro, halb benommen von dem Gespräch. Donnerstag also. Und sie würden sie schlachten.
*
Henrik Eusterbeck arbeitete im Büro seiner Frau, als Natascha aus der Besprechung kam. Sie schloss die Tür hinter sich. »Das solltest du nicht machen«, flüsterte sie.
»Was?«
»Hier bei mir zu sitzen. Wie selbstverständlich. Man wird sehr schnell munkeln.« Sie sah sich um, als könnten noch weitere Personen im Raum sein.
»Unsinn, Natti. Munkeln wird man, wenn ausgerechnet dein Aufgabenfeld nicht mit in die Struktur-Überlegungen mit einbezogen wird. Ich gehe hier gerade deine Software durch. Möchte ja zu gerne wissen, wo sie sich den Mist haben zusammenbasteln lassen. Wahrscheinlich haben sie dafür ein paar hundert Millionen ausgegeben. Kennt man ja von der Polizei und den Behörden.«
»Okay. Aber jetzt muss ich wieder an meinen Platz.« Sie schob ihn sanft zur Seite und war einen winzigen Augenblick dankbar dafür, das Privileg zu genießen, ihren Mann in ihrer Nähe zu haben.
»Kein Problem. Bin hier sowieso fertig.« Er sah auf die Uhr. »In fünf Minuten habe ich eine Verabredung mit eurem Sicherheitschef. Ziemlich cleverer Bursche. Einer der wenigen, die hier ihr Handwerk verstehen, wenn es so ist, wie es aussieht.«
»Und was wirst du mit ihm besprechen?«
»Es geht um die Optimierung der Überwachungssysteme, das heißt der Vernetzung der Sicherheitssysteme. Intern und extern. Da ist noch einiges an Perfektionierung möglich.«
Natascha setzte sich hinter ihren Schreibtisch und ging auf ihr E-Mail-Programm. »Könntest du nicht etwas machen, dass man die internen und die externen Mails unterscheiden kann? Das wäre sehr hilfreich.«
»Klar. Ist eine Kleinigkeit. Lohnt sich aber nur, wenn wir das im ganzen Kanzleramt machen. Am besten in allen Bundesbehörden.«
Sie schenkte ihm ein bewunderndes Lächeln. »Sie machen Ihren Job hier aber wirklich klasse, Herr Eusterbeck.«
»Danke. Ich versuche nur, meine … meine Chefin zu beeindrucken. Übrigens hat dir dein Kollege Frey eine Mail geschickt. Sehr ominös.«
»Ominös?«
»Nur eine Adresse. Habt ihr irgendwie ein geheimes Liebesnest, ihr beiden? Bei Delgado ?«
Entgegen seiner Erwartung reagierte Natascha nicht amüsiert. Keine scherzhafte Empörung lag in ihrem Blick. Stattdessen schaute sie unwillkürlich aus dem Fenster zum Bahnhof hin und sagte mit belegter Stimme: »Das ist eine seltsame Geschichte, Henry. Und es beschäftigt mich seit, ja, seit dem Tag, als ich hier angefangen habe. Eine Frau, die einen Notruf abgesetzt hat, von der ich aber nicht weiß, wie sie heißt oder wo sie wohnt. Ich habe Frey darum gebeten, die Adresse zu recherchieren.« Sie warf einen Blick auf den Monitor und rief die Mail auf. »Sandrine Delgado. Das wird sie dann wohl sein.«
»Ein Notruf? Bist du da nicht eher die falsche Ansprechpartnerin?«
»Sie hatte Angst, zur Polizei zu gehen. Sie wollte sich mit mir treffen. Aber dann ist sie zuerst nicht aufgetaucht. Und beim zweiten Termin … Ja, das war seltsam. Ich bin da in eine ganz eigenartige Situation gekommen.« Sie zögerte, überlegte, ob sie ihm ihr Herz ausschütten sollte, hier und jetzt.
Henrik Eusterbeck stand auf und stellte sich hinter sie. »Ich weiß nicht, Natti, für mich klingt das merkwürdig. Nicht dass dir da jemand eine Falle stellen will.«
Natascha wandte sich um und setzte ein Lächeln auf, das mehr Selbstsicherheit signalisierte, als sie hatte. Sie musste an die Nacht
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