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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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war es wohl die Mutter, die hier jemanden in Verlegenheit gebracht hat. Bedanken Sie sich bei Frau Delgado – und sagen Sie ihr, diesmal gehen wir der Sache auf den Grund. Wenn die Lili noch einmal nicht zum Unterricht erscheint, lassen wir sie von der Polizei zu Hause abholen.«
    *
    Natascha stand im Regen. Sie hatte keinen Schlüssel für das Wahlkreisbüro dabeigehabt. Petra war noch in Charlottenburg in dieser Schule. Sie hatte sich unmittelbar nach dem Gespräch mit der Rektorin bei ihr gemeldet und ihr davon erzählt. Seit drei Tagen fehlte das Mädchen schon im Unterricht. Es schien allerdings nicht das erste Mal gewesen zu sein. Hurenkinder hatten es mit Sicherheit nicht gerade leicht. Wenn sie farbig waren, schon gar nicht. Aber dieses Mädchen war in einer besonders ausweglosen Situation. Die Mutter verschwunden, keine Zuflucht, nirgends, umgeben von einer feindlichen Welt … Mit bangen Gefühlen dachte Natascha an das Kind.
    Als Henrik sie so auf der anderen Straßenseite stehen sah, nass und traurig, befiel ihn ein beinahe mit Händen zu greifendes schlechtes Gewissen. Sie zerriss sich wirklich. Einerseits die Arbeit im Kanzleramt, andererseits dieses Abgeordnetenbüro, wo täglich irgendwelche Leute aufkreuzten und ihren Ärger mit der kaputten Ampelanlage oder dem unverständlichen Rentenbescheid anschleppten. Immerhin hatte Natti den Wahlkreis in der Stadt. Andere mussten durch die halbe Republik, um für die Bürger vor Ort zu sein. Na ja, die hatten vielleicht wenigstens einen Ehepartner, der sie nicht betrog. Was tat er seiner Frau nur an? Endlich riss der Verkehr ab. Henrik machte die Warnblinkanlage an, sprang aus dem Auto und lief zu ihr hinüber. »Natti! Keiner da?«
    »Keiner da. Ich weiß auch nicht …« Wasser tropfte von ihrer Nase und von ihrem Kinn.
    »Komm, wir setzen uns ins Auto!« Henrik packte sie mit einem kräftigen Griff um die Schultern und zog sie mit sich.
    »Danke«, presste sie mit zitternder Stimme hervor, als sie endlich neben ihm im Trockenen saß. Die Scheiben beschlugen sofort, Henrik machte die Lüftung an und drehte die Heizung noch etwas höher. »Stehst du schon lange da?«
    »Zwanzig Minuten?«, schätzte Natascha.
    »Um Gottes willen. Ich hoffe, du hast dir nichts eingefangen.«
    »Ja, das hoffe ich auch. Bitte lass uns fahren.«
    »Zum Italiener?«
    Natascha schüttelte den Kopf. »Lieber nach Hause. In dem Zustand kann ich nicht ausgehen.« Nach Hause. Ja, das würde das Beste sein.
    »Hat Petra keinen Schlüssel?«, fragte Henrik vorwurfsvoll.
    Es fühlte sich gut an, dass er sich Sorgen machte. »Die wäre auch nicht schneller hier gewesen. Sie war doch in der Schule von dem kleinen Mädchen, du weißt schon …«
    Und ob er es wusste. Er sah das Bild genau vor sich. Die schwarze Frau, das Kind – und Michelle. »Und? Hat sie sich schon gemeldet?«
    »Ja, sie hat mich gleich angerufen. Aber ehrlich gesagt, das war auch nicht gerade erheiternd. Lass uns zu Hause darüber sprechen.« Dann konnte sie sich umziehen, konnte einen Augenblick durchatmen, vielleicht eine Tasse Tee trinken, um wieder richtig aufgewärmt zu werden. Sie sah auf die schemenhafte Stadtlandschaft vor ihnen. Einige Schaufenster waren schon vorweihnachtlich dekoriert. Doch das half nichts. Im spätherbstlichen Regen sah die Gegend immer noch ein wenig trübsinniger aus: grau, trostlos, aus der Zeit gefallen.
    Wenn sie nach Hause fuhren, dann hatte sie auch für ihr eigenes Thema noch eine Gnadenfrist. Denn auch wenn alles dafür sprach, dass sie die Nacht mit einem fremden Mann verbracht hatte, blieb doch ein Rest Hoffnung, dass sie nur das Opfer eines bizarr-realistischen Traums geworden war und nicht das eines sexuellen Überfalls.
    Sie nahm Henriks Aftershave wahr. Es war ein anderes als das, was sie ihm in Paris gekauft hatte. Er war am Valmensee gewesen und hatte dort etwas Rasierwasser benutzt. Eine andere Sorte. Gott sei Dank. Sie hätte ihn nicht riechen können nach der zurückliegenden Nacht. »Henrik.«
    »Ja?«
    »Ach Henry, ich glaube, es ist etwas Schreckliches passiert«, fing sie an, während er auf die Straße ausscherte, um sogleich innezuhalten und zu ihr hinüberzublicken. »Wieso? Was ist denn?«
    »Ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll …« Ihr Handy meldete sich.
    »Wie du was sagen sollst?«, fragte Henrik unwirsch und hupte einem anderen Autofahrer hinterher, der ihn angehupt hatte. »Arschloch.«
    Eine SMS . Natascha fingerte ihr Handy aus der klammen

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