Kalte Macht: Thriller (German Edition)
Haussmann.«
»Sie haben heute das Bildungspaket mit einer Stimme Mehrheit durch den Bundestag bekommen. Das bedeutet, dass mindestens zwei Dutzend Abgeordnete Ihrer eigenen Koalition gegen die Kanzlerin gestimmt haben.«
»Vielleicht waren es ja sogar noch einige mehr, lieber Herr Haussmann. Das Interessante ist doch: Wir können sicher sagen, dass sich auch etliche Mitglieder der Opposition für unseren Vorschlag ausgesprochen haben. Bildung ist nicht nur ein entscheidendes Thema für die Zukunft unseres Landes, es ist auch ein sehr emotionales Thema. Es geht dabei um unsere Kinder. Jeder hat dazu eine Meinung, und jeder hat seine ganz persönlichen Erfahrungen gemacht. Deshalb ist es richtig, dass sich die Abgeordneten hier nicht sklavisch einem Fraktionszwang unterworfen haben, sondern nach ihrem Gewissen gestimmt haben, wie es das Grundgesetz vorsieht …«
»Sie sagen, Bildung sei ein entscheidendes Thema für die Zukunft unseres Landes. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber wir haben versucht, die Kanzlerin für ein Interview zu gewinnen oder den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Beide hatten keine Zeit. Das klingt nicht danach, als wäre die Bildungspolitik zurzeit Chefsache. Kann es sein, dass man Sie vorgeschickt hat, um selbst aus der Schusslinie zu kommen?«
Natascha lächelte den Stich weg, den ihr die Frage versetzte. »Wenn es eine Schusslinie gäbe, wäre die Frage berechtigt. Allerdings ist das Gesetz beschlossene Sache, und damit fällt mir die dankbare Aufgabe zu, noch einmal darauf hinweisen zu dürfen, was für einen wichtigen Schritt wir getan haben, um Deutschland zukunftsfähig zu machen. Wir werden …«
»Mit Verlaub, das Gesetz hat zwar den Bundestag passiert«, unterbrach sie der Nachrichtenmann erneut. »Die Experten sind sich aber einig, dass es im Bundesrat scheitern wird. Bildung ist immer noch Ländersache. Und zumindest die Kostenfrage wird, gelinde gesagt, kontrovers diskutiert.«
»Wir haben sehr klare und kluge Vorschläge zur Kostenfrage gemacht. Ich bin sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern viel Gutes darin entdecken werden, wenn sie sie erst einmal im Detail prüfen konnten.«
»Aber das konnten sie doch schon bei ihrem ersten Anlauf für dieses Gesetz vor zwei Jahren. Im finanziellen Bereich hat sich kaum etwas geändert. Kann es sein, dass Sie diese Gesetzesinitiative, sagen wir mal, sehr optimistisch betrachten? Sie sind ja noch nicht so lange dabei.« Er sagte das nicht unfreundlich. Womöglich war es nicht einmal feindselig gemeint. Aber Natascha spürte die Worte wie einen Faustschlag in die Magengrube. Sobald er ihre persönliche Professionalität in Frage stellte, war das, als hätte er ihre Integrität in Zweifel gezogen. Sie sah förmlich die Kollegen Frey und Wende in sich hineingrinsen. Das Küken wird geschlachtet. Live in einer Schachtel von drei Quadratmetern. Im ausgeschnittenen Top. Sie besann sich auf eine ihrer ältesten Tugenden: entwaffnende Ehrlichkeit. Nur damit würde sie dieses Interview durchstehen: »Wissen Sie«, erwiderte sie und lächelte verbindlich, versuchte, durch die Kamera hindurch Sympathie für den Mann zu fassen, der sie gerade an die Klippe geschoben hatte. »Da haben Sie vielleicht recht. Und vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb ich heute hier bin und nicht die Kanzlerin oder der Bildungsminister. Was wir brauchen, ist nicht Taktiererei und das ewig gleiche Politgeschachere. Wir brauchen frische Ideen und einen unbefangenen Blick. Ich kann die Kolleginnen und Kollegen in den Ländern nur auffordern, diesen Blick zu üben. Da bin ich gerne auch gesprächsbereit. Wenn wir über Bildung sprechen, dürfen wir uns nicht weigern, selbst zu lernen. Ich tue das Tag für Tag und hoffe, dass ich das auch noch tun werde, wenn ich nach Ihren Maßstäben ein alter Hase im Politikbetrieb bin.«
»Das ist ein sehr respektabler Wunsch«, entgegnete der Moderator, und Natascha erkannte an der Art seines Lächelns, dass er ihre Rolle in dem Interview für gut befand. Er würde sie wieder einladen, von ihr war noch einiges zu erwarten. »Dann geben wir diesen Gruß an die Politiker aus den Bundesländern gerne weiter und wünschen Ihnen und vor allem den Schülerinnen und Schülern in diesem Land, dass – egal mit welchem Gesetzentwurf – sich in den nächsten Jahren vieles zum Besseren verändern wird. Frau Staatssekretärin, vielen Dank für dieses Gespräch.«
»Ich danke Ihnen, Herr
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