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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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dem Zustand, in dem er war. Das Bild des Konvois ging ihm nicht aus dem Kopf. Leute aus dem Kanzleramt. Ausgerechnet hier. Scheiße. Klar, Huren hatten Kunden. Michelle hatte Kunden. Scheiße. Er atmete tief durch, spürte die drei Biere. Er musste ein andermal mit ihr darüber sprechen.
    Niedergedrückt wankte er zu seinem Wagen. Neben ihm hatten zwei schwere Limousinen geparkt. Staatskarossen, natürlich. Henrik konnte erkennen, dass in der einen ein Chauffeur saß. Das andere Fahrzeug war leer, soweit das bei den getönten Scheiben erkennbar war. Er holte seinen Schlüssel raus und entriegelte die Schlösser seines Wagens. Die Blinklichter leuchteten zweimal auf, das Licht im Inneren ging an. Er setzte sich hinein und schloss kurz die Augen. Durch die noch offene Fahrertür drang frische Luft, die ihm einerseits guttat, ihn andererseits aber unendlich müde machte. Er riss sich zusammen, öffnete die Augen wieder, zog die Tür zu, ließ den Motor an und blendete die Scheinwerfer auf. Erschrocken trat er auf die Bremse, obwohl der Wagen noch stand: Vor ihm löste sich ein Mann von der Hauswand, der in einer Nische an einem der Fenster gestanden und vielleicht hineingespäht hatte. Nun sah er zu Henrik hin, und es huschte ein kurzes Grinsen über seine Züge. Dann wandte er sich ab und setzte sich in die zweite Staatskarosse. Es war der Chauffeur von Dr. Marcus Frey, Staatsminister im Kanzleramt. Batik, dachte Henrik.
    *
    Die Sitzung hatte sich zum Albtraum ausgewachsen. Statt Strategien zu den Vorschlägen der Opposition zu erarbeiten, hatten sich die anwesenden Parteimitglieder gegenseitig zerfleischt. Es war nach elf Uhr, und der Vormittag konnte mit Fug und Recht als vollkommen verschwendet bezeichnet werden. Wütend verließ Natascha Eusterbeck den Konferenzraum im Bundestagsgebäude, in dem sie sich getroffen hatten. Sie wusste so schon nicht, woher sie die Zeit nehmen sollte, die sie für ihre Arbeit brauchte.
    Bleicher wartete bereits mit dem Wagen draußen. Sie ließ sich auf die Rückbank fallen, schlug die Mappe mit der unerledigten Korrespondenz auf, in die Petra Reber ihr auch den Brief eines besorgten Bürgers gesteckt hatte, und begann zu lesen: »Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Dr. Eusterbeck, wie sich immer deutlicher zeigt, wird unser Land von einer unsichtbaren Armee regiert, die im Hintergrund die Fäden zieht.« Sie stöhnte auf. Wieder einer von den Irren, die genau wussten, dass sie selbst auf die abstrusesten Verschwörungstheorien Antwort von ganz oben bekommen mussten, weil die Gesetze das so vorsahen. Wenn man nutzlose Sitzungen und sinnlose Anfragen komplett abschaffte, konnte man vermutlich das Land am Wochenende regieren und die restliche Zeit zum Angeln gehen. Sie las den Brief nicht zu Ende, sondern nahm ihr Diktiergerät und begann zu formulieren: »Schreiben an Herrn Sowieso – siehe Mappe 334/4-12 – Sehr geehrter Herr, vielen Dank für Ihr Schreiben vom … Es ist uns sehr wichtig, auf Ihr Anliegen zu antworten und Ihnen zu versichern, dass unser Land keineswegs von unsichtbaren Kräften regiert wird. Richtig ist, dass nicht alles, was in der Politik geschieht, in der Öffentlichkeit wahrnehmbar ist. Manches muss aus Gründen der Diskretion, des Personenschutzes oder auch des Staatsschutzes der Geheimhaltung unterliegen. Wenn Sie aber einmal die Seite der Bundesregierung und der einzelnen Bundesministerien sowie der großen Bundesbehörden im Internet besuchen, werden Sie feststellen, dass die Bundesrepublik Deutschland zu den transparentesten Staatswesen der Welt gehört. Darauf legen wir großen Wert. Denn die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben es verdient zu erfahren, was die gewählten Volksvertreter, die Verfassungsorgane und die öffentlichen Einrichtungen in ihrem Interesse tun oder unterlassen. Sollten Sie dennoch in irgendeiner Hinsicht den Verdacht haben, dass Personen oder Institutionen außerhalb des Rechts und der Gesetze agieren, steht Ihnen selbstverständlich der Weg vor die Gerichte offen. In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihren Einsatz und blabla, das Übliche bitte, Petra, ja? Danke.« Sie schaltete das Diktiergerät ab und steckte es wieder in ihre Tasche. In dem Moment gab das Handy Signal, dass eine Kurznachricht eingegangen war. Die Kanzlerin. Natascha hielt den Atem an. Es war das erste Mal seit der Einladung der Alten, ins Kanzleramt zu wechseln, dass sie ihr schrieb. Sie öffnete die Nachricht:
    »Können Sie bitte dem ZDF ein

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