Kalte Schulter, Heißes Herz
Tausend Pfund, mit denen man sich freikaufen könnte – es war fast zwanzig Mal so viel! Ein Vermögen!
Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Sie musste diesen Schuldenberg unbedingt loswerden, denn täglich kamen neue Zinszahlungen hinzu, und die Abmachung war ganz offensichtlich rechtskräftig. Also musste sie sich woanders zu einem günstigeren Zinssatz Geld leihen, das war der einzige Ausweg.
Sie schluckte und packte den Hörer noch fester. „Ich werde die Sache bereinigen und eine Hypothek aufnehmen.“
Der Alte lachte trocken. „Im nächsten Brief an dich wird die Zwangsvollstreckung angedroht werden. Hast du die Unterlagen nicht gründlich gelesen? Harford ist bereits bis unters Dach beliehen, und ich habe das Recht, es zur Tilgung jederzeit versteigern zu lassen.“
Es folgte eine lange Stille. Flavia fand keine Worte für das, was in ihr vorging.
„So muss es aber nicht enden, Flavia“, lenkte er ein und kam nun endlich zum Punkt. „Wir können uns das Ganze einfacher machen. Für dich könnte es sogar ganz besonders vergnüglich werden. Jedenfalls denkt Anita das, und sie kennt sich bei so etwas bestens aus. Sie ist extrem eifersüchtig auf dich.“
Flavias Herz hämmerte in ihrer Brust, und ihre Stimme war so leise, dass sie den Satz zweimal hintereinander aussprach. „Wovon sprichst du da? Wovon genau sprichst du da?“
„Du hast eine Eroberung gemacht“, antwortete ihr Vater. „Leon Maranz hat offensichtlich einen Narren an dir gefressen und ist wild darauf, mit dir in Kontakt zu kommen. Das Problem ist nur …“ Jetzt wurde er richtig ärgerlich. „Du spielst nicht richtig mit!“
Sie legte sich eine Hand an den Hals und konnte ihren rasenden Puls unter den Fingerspitzen fühlen. „Ich will nichts mit Leon Maranz zu tun haben.“
„Wen kümmert’s? Er will dich, und im Augenblick kriegt der Mann von mir alles, was er haben will. Ende der Durchsage!“
„Also, falls du auf die Idee kommen solltest, ich wür…“
Kalt schnitt er ihr das Wort ab. „Mein Vorschlag ist, du packst sofort deine Sachen und nimmst morgen früh den ersten Zug zurück nach London. Dann wirst du dich bei Leon Maranz melden, und du wirst gefälligst ausgesprochen freundlich zu ihm sein! Hast du mich verstanden?“
Ihr wurde eiskalt. „Was meinst du mit ausgesprochen freundlich ? Worauf willst du hinaus?“
„Ach, Himmel noch mal! Soll ich es dir aufschreiben, oder was? Du bist doch keine Nonne, auch wenn du dich wie eine anziehst und aufführst. Weiß der Geier, was Maranz an dir findet, aber mir kommt das äußerst gelegen. Vielleicht hat er die Nase voll von Supermodels. Übersättigt, aber wen interessiert’s? Er will dich, und er kriegt dich, mein Mädchen!“
Am liebsten hätte sie mit dem Telefonhörer den Spiegel vor sich eingeschlagen. „Du möchtest mich allen Ernstes an einen Mann verschachern, mit dem du Geschäfte machst?“
Entsetzen und Abscheu schnürten ihr die Kehle zu, und um ein Haar hätte sie sich übergeben. Ihr eigener Vater! Nicht besser als ein dahergelaufener Zuhälter! Es war unbegreiflich. Andererseits sollte sie dieser neue Tiefpunkt seiner Charakterschwäche nicht sonderlich überraschen.
Der Alte ergriff wieder das Wort, und Flavia zwang sich, ihm zuzuhören. „Jetzt werde ich dir mal was sagen, junge Dame! Diese verdammte Rezession hat mir stark zugesetzt. Im Augenblick muss ich Leon Maranz um jeden Preis bei Laune halten, weil nur er allein zwischen mir und meiner totalen, persönlichen Pleite steht. Schnallst du das? Er investiert gewinnbringend in marode Unternehmen und bewahrt sie so vor dem Untergang. Für mich ist er die letzte Chance. Was meinst du, warum ich die ganze Zeit um ihn herumkrieche? Würde ich ihn nicht dringend brauchen, könnte er mir gestohlen bleiben. Ich reiße mich nicht darum, von irgendeinem dahergelaufenen Emporkömmling bevormundet zu werden!“
„Also opferst du mich, um deine Haut zu retten?“
Sein Gelächter war der pure Hohn. „Unsere kleine Miss Saubermann! Du kannst dir von deinem Edelmut wenig kaufen, wenn du und deine Großmutter auf der Straße sitzen. Denn eines verspreche ich dir: Solltest du nicht mitmachen und Leon Maranz alles geben, wonach er verlangt, ziehe ich euch beiden Harford unter dem Hintern weg! Es kann noch diese Woche unter den Hammer kommen. Also, wie lautet deine Meinung dazu? Es ist an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen.“
Hilflos betrachtete Flavia die Dokumente vor sich, und die ganzen Nullen
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