Kalte Spur
auf Kohlepapier. Diese hier wurde auf einem modernen Kopierer gezogen.«
Joe spürte seine Kopfhaut kribbeln. »Also wurde sie erst kürzlich gemacht.«
»So sieht es für mich aus. Warum auch immer: Sie wurde noch im Archiv angefertigt, und dann kam die Akte wieder in die alte Kiste. Das hätten wir wahrscheinlich nie bemerkt, wenn wir nicht gerade heute nach diesen Unterlagen gesucht hätten.«
»Wie viele Personen hatten Zugang zum Archiv?«
Ike hob die Brauen. »Wir alle. Die Hilfssheriffs, die die Akten aus- und wieder eingelagert haben. Der alte Urkundsbeamte natürlich. Und die neuen Eigentümer des Hauses, in dem er gelebt und die Unterlagen aufbewahrt hat.«
»Cam Logue«, sagte Joe. »Und der Sheriff.«
»Möglich, aber von einem Verbrechen kann keine Rede sein. Es ist nicht verboten, eine Urkunde zu kopieren.«
»Und wenn man den Vertrag über Verkauf oder Verpachtung von ÖGB-Rechten entfernt?«
»Das ist auch kein Verbrechen, Joe. Warum fragen Sie?«
Bevor Joe ging, bat er Ike noch, ihn unter seiner Handynummer anzurufen, sobald das Fax aus Cheyenne eintraf. Der Urkundsbeamte folgte ihm zur Tür.
Joe bedankte sich erneut bei den Sachbearbeiterinnen, und eine von ihnen lächelte sogar zurück.
»Darf ich Sie um etwas bitten?«, wandte Ike noch einmal das Wort an ihn.
»Natürlich.«
»Nach diesem Kraftakt hier brauche ich einige Zeit, um das Büro aufzuräumen.« Er wies auf den Tisch und die Kisten. »Eigentlich wollte ich George vom Angeln am Fluss nach Hause mitnehmen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, das für mich zu erledigen?«
»Kein Problem, liegt sowieso auf der Strecke.«
Ike lächelte und blickte sich über die Schulter zu den Sachbearbeiterinnen um, als wollte er die Bedrohung abschätzen, ehe er den Kampf wiederaufnahm.
Einunddreißigstes Kapitel
Da sie annahm, nicht mehr bei Cam beschäftigt zu sein, ging Marybeth an diesem Nachmittag mit einem flauen Gefühl in der Magengegend nicht zu ihm ins Büro. Sie hasste es, Dinge unerledigt zu lassen, auch wenn sie sie für so jemanden wie ihn erledigen musste.
Als sie in Barretts Apotheke für diesmal fertig war, rief sie im Maklerbüro an, doch die Vertretung am Empfang sagte ihr, er sei für den Rest des Tages außer Haus.
»Erreiche ich ihn per Handy?«, hakte Marybeth nach.
»Davon hat er nichts gesagt. Er schien sich über irgendwas zu ärgern; also hab ich das lieber gar nicht erst angesprochen.«
»Können Sie mich dann bitte mit seinem AB verbinden?«
Die Vertretung probierte ein wenig an der Telefonanlage herum, ehe sie das geschafft hatte.
Marybeth hörte sich die Ansage an und sprach dann mit ruhiger Stimme darauf. »Cam, ich hab Joe erzählt, was passiert ist, und wir zwei sind uns sicher darüber einig, dass Sie sich besser eine neue Buchhalterin suchen. Ich hoffe nur, die Freundschaft zwischen Lucy und Jessica wird darunter nicht leiden. Ich denke, das dürften wir als gute Eltern hinbekommen.«
Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Und ich hoffe, Marie und ich können weiter befreundet sein. Aber diese Nachricht brauchen Sie nicht an sie weiterzugeben; ich fahre sie besuchen.«
Sie legte auf. Immerhin, dachte sie, hab ich jetzt den Nachmittag frei.
Marybeth kaufte bei Barrett Pralinen und im Schnellrestaurant einen Liter Hühnersuppe mit Einlage und fuhr durch die Stadt zu den Logues. Diesmal dachte sie an den Pick-up mit Camper-Aufsatz aus South Dakota, wich ihm aus und parkte bei der Haustür. Das Gebäude wirkte wie ausgestorben.
Die Suppen- und Pralinentüte in der Hand, drückte sie auf die Klingel, doch niemand öffnete.
Nachdem eine Minute lang keine Reaktion kam, schellte sie erneut. Seltsam, dachte sie. Im Haus waren noch immer kein Rascheln und keine Schritte zu hören.
Sie klopfte, wartete und schlug dann mit der Faust an die Tür.
Nichts.
Sie stellte die Tüte auf die Schwelle und ging ums Haus. Die Garage war geschlossen, sie konnte also nicht erkennen, ob Maries Auto da war. Vielleicht hatte sie die Schwiegereltern ja zum Essen ausgeführt. Aber es hatte doch geheißen, sie sei krank …
Womöglich ist sie beim Arzt, überlegte Marybeth, und ihre Stimmung besserte sich kurz. Aber würde Marie die Schwiegereltern dorthin mitnehmen?
Verwirrt zog sie einen Briefumschlag aus dem Handschuhfach des Vans und schrieb ihrer Freundin, es tue ihr leid, sie verpasst zu haben, und es gehe ihr hoffentlich besser. »Ruf mich an, wenn du kannst«, notierte sie und ließ die Nachricht mit Suppe
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