Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalte Spur

Kalte Spur

Titel: Kalte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Postfach aufgaben und meine Unterlagen von der Schule abholten.«

    Wir haben damals nicht mal hier gewohnt, dachte Joe, beobachtete Cam aber nur und hörte ihm zu.
    »Ihr habt kein einziges Mal an mich gedacht, als ich versuchte, auf eine Schule in South Dakota zu gehen, wo es zur Hälfte Indianer, zur Hälfte weißen Trash gab. Wenn ihr an jemanden dachtet, dann an meinen Bruder, das Genie, den künftigen Arzt, der meine Eltern ja so stolz machen würde. Ihr wolltet anderen erzählen können, dass ihr euch noch daran erinnert, wie er in Saddlestring schon in der sechsten Klasse war, während die anderen Kinder seines Alters noch in die dritte Klasse gingen, und dass er alle Wettbewerbe in den Naturwissenschaften gewann. Wenn ihr wüsstet …«
    Plötzlich verstummte er.
    »Ich rede zu viel«, sagte er mehr zu sich als zu seinem Besucher.
    Er sank wieder in seinen Stuhl zurück, starrte auf einen Punkt über Joes Kopf und wirkte erschöpft.
    »Tut mir wirklich leid, Cam.«
    Keine Reaktion.
    »Ich hab Mist gebaut, bin mit einer vorgefassten Meinung gekommen und hab dazu passende Tatsachen finden wollen, statt umgekehrt vorzugehen.« Joe setzte seinen Hut auf und erhob sich.
    Der Makler saß noch immer unheimlich erschöpft und geistesabwesend da.
    »Cam?«
    Er schien tief in sich versunken. Was hab ich da angerichtet?, dachte Joe.
    »Cam!«
    Zum Glück schien Logue mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurückzukehren. Er blinzelte heftig und fasste dann sein Gegenüber ins Auge.

    »Ich bin weg«, sagte Joe.
    Cam nickte. »Gut.«
    Joe wollte sich schon abwenden, fragte dann aber: »Haben Sie irgendeine Vermutung, was hier vorgeht? Mit all den Verbrechen? Wir haben scheinbar nicht mal eine Ahnung.«
    Cam schüttelte matt den Kopf.
    »Wir haben Bären, Aliens, alle möglichen absurden Ideen«, sagte Joe. »Einer will vor einiger Zeit sogar zwei Gestalten in der Gasse hinter Ihrem Haus gesehen haben.«
    Erstaunlicherweise erbleichte Cam daraufhin wie bei Joes Auftauchen.
    »Wer hat das gesagt?«
    Joe zuckte die Achseln. »Das ist unwichtig. Mir kam es nur auf all die verrückten Theorien an.«
    »Erzählen Sie mir, wer das gesagt hat.«
    »Cam, tut mir leid, aber ich muss los. Entschuldigen Sie, dass ich Ihre Zeit so lange in Anspruch genommen habe.«
    Der Makler starrte ihn an. Seine Lippen wurden schmal.
    »Das alles tut mir wirklich leid, Cam.«

    In seinem Pick-up schlug Joe mit dem Handballen aufs Lenkrad und fragte sich, wie er sich so hatte täuschen können.
    Dann meldete er sich bei Hersig, der am Telefon besorgt klang.
    »Sie sollten mich aus der Arbeitsgruppe nehmen«, sagte Joe missmutig. »Ich weiß nicht, was ich dort noch soll.«
    »Falsche Fährte?«
    »Schlimmer: völlig falsche Richtung.«
    Hersig seufzte. »Wenn dieser Fall ausgestanden ist, werden wir einige Unstimmigkeiten mit der hiesigen Geschäftswelt ausbügeln müssen.«

    »Das ist nicht so wild, Robey. Aber ich muss es Marybeth sagen.«

    In dem winzigen Hinterzimmer, das ihr in Barretts Apotheke als Büro diente, stieß Joe auf seine Frau. Sie sah erwartungsvoll auf, als er reinkam.
    »Was Cam angeht, hab ich mich getäuscht.«
    »Erzähl.«
    Ihr Gesicht verhärtete sich während seiner Schilderung mehr und mehr.
    »Warum hast du ihm so zugesetzt, Joe?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich hielt es für das Beste. Ich dachte, ich könnte ihn auf diese Weise dazu bringen, etwas zu sagen.«
    »Tja, ich schätze, das ist dir gelungen.«
    Kopfschüttelnd starrte er auf seine Stiefelspitzen. »Ich fühl mich schrecklich.«
    »Nicht doch.«
    Er sah verdutzt auf.
    »Das hört sich nach einer enormen Show an«, sagte sie.
    »Ich weiß. Aber ich dachte, wenn ich es frontal angehe …«
    »Nein.« Sie hieß ihn mit einer Handbewegung schweigen. »Deinen Auftritt meine ich nicht, sondern den von Cam. Da stimmt was nicht. Es gibt keinen guten Grund, warum die beiden mir nicht erzählen sollten, dass sie die Ranch zurückbekommen. Sie wissen, dass ich das für mich behalten würde, und welchen Unterschied würde es machen, wenn ich es nicht täte? Marie und ich haben uns alles anvertraut, Joe. Wir haben über dich und Cam geredet, über unsere Kinder, Ziele und Sehnsüchte. Glaub mir: Hätte Marie seinen Plan gekannt, die Ranch zurückzukaufen, hätte sie mir davon berichtet. Als Cam von dem ›ungenannten Interessenten‹
sprach, hat er auch Marie irregeführt. Aus welchem Grund?«
    »Dann hat er dich eben belogen. Außerdem ist nichts dagegen zu sagen, dass

Weitere Kostenlose Bücher