Kalte Spur
Lebensgefahr. Sie müssen sofort jemanden losschicken, um Cam zu verhaften. Vielleicht weiß er, wohin Garrett unterwegs ist. Wenn er selbst nicht auch schon auf der Flucht ist.«
»Und wen soll ich zu Cam schicken? Garrett und Nicht-Ike aufzuspüren, hat für alle oberste Priorität«, sagte Hersig. »Barnum, seine Hilfssheriffs und praktisch alle übrigen Ordnungshüter im Umkreis von dreißig Kilometern fahnden nach Garrett. Ich werde niemanden anrufen, damit er umdreht und einen angesehenen hiesigen Geschäftsmann verhaftet, der eventuell in die Sache verwickelt ist.«
Joe krallte die Hand so fest um den Hörer, dass er fürchtete, er könnte zerspringen. »Es ist mir egal, wen Sie hinschicken. Setzen Sie notfalls die Autobahnpolizei dafür ein. Jemand muss ihn abholen. Cam ist so oder so in den Fall verstrickt; wir dürfen nicht riskieren, ihn auch noch aus den Augen zu verlieren!«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, stieß Hersig hervor. »Aber versprechen kann ich nichts.«
»Lassen Sie alles über die Zentrale laufen«, bat Joe. »Ich behalte das Funkgerät an und sage Ihnen Bescheid, wenn es etwas zu berichten gibt.« Hersig beendete das Gespräch ohne eine Antwort.
Joe versuchte, alles miteinander zu verknüpfen. Dass Garrett in die Sache verwickelt war, verblüffte ihn, da er sich so auf Cam Logue versteift hatte. Deena hatte ihm einen Grund gegeben, nach Garretts Absichten zu forschen, doch er war nicht schnell genug gewesen, um die Ereignisse aufzuhalten.
Was Garrett anging, fiel ihm noch etwas ein: Er war süchtig nach öffentlicher Berichterstattung und wollte Aufmerksamkeit, um seine absurden Ansichten über Aliens und Verschwörungen zu verbreiten. Vielleicht aber hatte er noch eine dunklere, verdrehtere Seite? Um Joe zu überzeugen, hatte er womöglich ein gravierenderes Verbrechen begangen.
Doch wie passte Cam Logue in das alles hinein? Er musste daran beteiligt sein. Wie hätte Garrett sonst von Joes Gespräch mit ihm wissen können? Garrett war verschwunden, bevor Joe Cam zur Rede gestellt hatte. Standen die beiden in Kontakt?
Den Stümpereien der Arbeitsgruppe zum Trotz war Joe dem Mörder die ganze Zeit am nächsten gewesen, ohne es bemerkt zu haben. Auch wenn er hoffte, dass es eine andere Erklärung für alles gab, bezweifelte er es stark. Wenn die ganze Sache sich so entwickelte, wie es im Moment aussah, träfe ihn die Schuld daran, wenn es zu einem weiteren Mord käme. Es schauderte ihn.
»Mannomannomann!«
Er griff sich das Handy vom Armaturenbrett und rief Nate per Kurzwahl an. Romanowski nahm ausnahmsweise ab.
»Ich bin’s, Joe.«
Nate war begeistert. »Joe, seit wir den Bären entdeckt haben, hab ich nicht mehr mit dir gesprochen. Ob du’s glaubst oder nicht, aber …«
»Nate! Ich brauch deine Hilfe!«
»Schieß los.«
»Wie schnell kannst du deinen Revolver schnappen und dich mit mir in der Bighorn Road treffen? Ich bin nach Westen in die Berge unterwegs.«
»Gib mir zehn Minuten.«
»Dann bis gleich.«
Als Joe mit heulendem Motor über den Hügel gebraust kam, sah er Nate aus dem Jeep steigen und sein Schulterholster anlegen. Er bremste bis auf Schrittgeschwindigkeit ab, und Romanowski schwang sich ins Führerhaus seines Pick-ups.
Ohne angehalten zu haben, lenkte Joe seinen Wagen vom Bankett auf die Fahrbahn zurück, und schon heulte der Motor wieder.
»Es ist Cleve Garrett«, sagte er.
»Ach?« Nate stieß einen Pfiff aus. »Das dürfte nicht allzu überraschend sein.«
»Nein«, erwiderte Joe mürrisch, »wahrscheinlich nicht. Aber Cam Logue ist irgendwie in die Sache verwickelt. Und vielleicht noch andere.«
Während der Fahrt zog Nate seine Waffe, überprüfte den Zylinder mit den fünf Kugeln und schob den Revolver ins Holster zurück.
»Betrachte dich als Hilfssheriff«, sagte Joe.
»Ich wusste gar nicht, dass Jagdaufseher Hilfssheriffs ernennen können.«
Joe zuckte die Achseln. »Vermutlich dürfen wir das nicht. Dann ernenne ich dich eben im Namen der Arbeitsgruppe Mord und Verstümmelungen dazu.«
»Cool. Hauptsache, du entlässt mich hinterher wieder aus dem Amt.«
Joe nickte.
»Weißt du noch, wie ich dir beschrieben habe, wie es unter der ruhigen Oberfläche des Flusses ist? Eine ganz andere Welt mit Geräuschen und Chaos?«
»Nate, was hat das damit zu tun, was wir hier …«
»Hör kurz zu, Joe. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass es verschiedene Ebenen von Sein und Bewusstsein gibt. Da draußen existieren Welten mit
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