Kalte Spur
wollte«, gab Hersig ungerührt zurück. »Und wenn ich mich recht erinnere, war Joe in ein paar ziemlich große Kriminalfälle in diesem County verwickelt.«
»Raus mit der Sprache, Sheriff.« Joe spürte, wie die Hitze in ihm hochstieg. »Lassen Sie uns die Sache an Ort und Stelle klären.«
Barnum fuhr in seinem Drehstuhl herum, offenbar bereit zu einem Wortgefecht mit Joe, doch dann überlegte er es sich anders und starrte nur zornig auf seine Kaffeetasse.
Um von dieser unerwarteten Wendung zum Thema der Sitzung zurückzukehren, schrieb Hersig REGIERUNGSVERTRETER und GRIZZLY an die Tafel.
»Vielleicht war es ein Virus?«, schlug Brazille vor und ergriff damit erstmals das Wort.
»Es gibt noch eine Möglichkeit, und Sie alle kennen sie«, sagte McLanahan und setzte sich langsam auf. »Aber da niemand sie benennen will, werde ich es tun.«
Hersig schrieb schon, bevor der Hilfssheriff das Wort ausgesprochen hatte.
ALIENS.
»Einer ruft sogar ständig im Sheriffbüro an und preist seinen Sachverstand, was von Außerirdischen verstümmeltes Vieh angeht«, berichtete McLanahan lächelnd. »Er will Erfahrungen ›im Bereich des Paranormalen‹ haben.«
»Wie heißt er?«, fragte Hersig.
»Moment …« McLanahan suchte kurz in seinem Spiralnotizbuch. »Cleve Garrett.«
Joe merkte auf. Diesen Namen hatte Dave Avery doch erwähnt. So hatte der »Experte« geheißen, der in Helena aufgetaucht war.
»Anscheinend ist er in der Stadt, weil er von den Verstümmelungen gehört hat. Er kommt aus Montana und campt im Riverside-Wohnmobilpark.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«, fragte Hersig.
»Soll das ein Witz sein?«
»Ich rede mit ihm«, erbot sich Joe.
»Er gehört Ihnen!«, rief McLanahan lachend.
»Sie bekommen die Spinner«, sagte Hersig und trug Joe für die Aufgabe ein.
Joe unterrichtete die Anwesenden darüber, was er von Dave Avery erfahren hatte. Selbst Barnum bekam große Augen, als er hörte, dass es im letzten Winter auch in Montana zu Verstümmelungen gekommen war. Brazille und Barnum notierten sich sofort das Wort Oxindol.
»Diese Informationen brauchen wir als Bericht, Joe«, sagte Hersig.
»Wird gemacht.«
»Agent Portenson«, fuhr der Bezirksstaatsanwalt fort, »können Sie dafür sorgen, dass in Virginia an beiden Toten eine chemische Analyse von Blut und Gewebe vorgenommen
wird, um festzustellen, ob sie Oxindol oder etwas anderes Ungewöhnliches im Körper hatten?«
»Das wird sicher standardmäßig untersucht«, erwiderte Portenson. »Aber ich werde es trotzdem veranlassen.«
Nach dem Ende der Sitzung schlurfte Joe erschöpft über den Parkplatz der County-Verwaltung. Er war verwirrt und brauchte Zeit, um zu ordnen, was er gehört hatte. Das Rätsel war plötzlich größer und undurchsichtiger als zuvor. Portensons Erklärung, wenn es denn eine war, hatte ihn beunruhigt.
Als er sich seinem Pick-up näherte, drehte er sich zum Verwaltungsgebäude um. Portenson stand mit Sheriff Barnum vor dem Haupteingang. Sie führten eine hitzige Debatte, doch Joe war zu weit entfernt, um zu hören, worum es ging. Er beobachtete, wie die beiden zusammenrückten und dabei noch immer redeten. Plötzlich drehte der FBI-Mann sich um und wies auf Joe. Auch der Sheriff blickte nun in seine Richtung.
Worüber mochten die beiden gesprochen haben?
Portenson ließ Barnum vor dem Eingang stehen und kam quer über den Parkplatz auf ihn zu.
Joe spürte ein Flattern im Magen. Was wollte der Agent von ihm?
»Der Sheriff und ich haben uns gerade darauf verständigt, dass es das Beste ist, wenn Sie sich bei dieser Untersuchung im Hintergrund halten.«
Joe verbarg seinen Ärger nicht. »Was haben Sie bloß? Das FBI wurde doch letztes Jahr entlastet. Ihr Jungs habt eine interne Untersuchung durchgeführt und seid zu dem Schluss gekommen, dass ihr ein Haufen Helden seid.«
Portenson verzog das Gesicht. »Offiziell ja. Inoffiziell gibt es zwischen mir und meinen Kollegen Differenzen. Ich gelte
als aussätzig, weil ich Sie unterstützt habe und nicht den eigenen Stall.«
»Sie haben richtig gehandelt.«
»Als ob das von Belang wäre! Sagen Sie das meiner Behörde, ja? Bis auf Weiteres komm ich hier nicht weg. Und ich möchte nicht für den Rest meiner Laufbahn in Wyoming festsitzen, wirklich nicht.«
»Es sei denn, Sie wetzen Ihre Scharte aus und werden anderswohin befördert«, sagte Joe. »Aber dafür müssen Sie echt etwas leisten.«
»Zum Beispiel herausfinden, was Sie und Ihr Kumpel Nate Romanowski mit
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