Kalte Wut
treffen. Er wird Sie morgen selbst anrufen …«
Eine Weile zuvor, in der Konditorei, hatte Tweed die Besitzerin beruhigt, die nach dem Überfall und Philips Verschwinden aus der Küche gekommen war.
»Geben Sie uns einen anderen Tisch, weit fort von diesem Fenster – hier zieht es jetzt nämlich. Und danach seien Sie bitte so gut, uns frischen Kaffee und neues Gebäck zu bringen.«
Seine gelassene Reaktion auf den fürchterlichen Zwischenfall hatte die gewünschte Wirkung. Die Frau hatte sie, noch völlig verschreckt, zu einem Ecktisch geführt, der neben einem Heizkörper stand, aber weit weg von jedem Fenster. Das zersplitterte Glas war nicht bis in diese Ecke geflogen, und seine beiden Begleiterinnen ließen sich zusammen mit ihm nieder.
»Ich kann Unmengen von Kaffee trinken, aber ich glaube nicht, daß ich irgendwelches Gebäck hinunterbekomme«, sagte Paula.
»Mir geht es genauso«, erklärte Jill.
Unter dem Einfluß von Tweeds sachlichem Verhalten hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen. Beide Frauen tranken gierig den Kaffee, den die Kellnerin frisch aufgebrüht hatte. Tweed griff nach dem verlockendsten Sahnestück und biß hinein. Beide Frauen sahen zu, wie er es mit offensichtlichem Behagen verzehrte, sich den Mund abwischte und dann nach einen Stück Schokoladentorte griff.
»Also«, sagte Paula, »auf einmal bin ich auch hungrig. Ich glaube, ich könnte ein Stück essen.«
»Mir geht es genauso«, erklärte Jill abermals.
Während sie beide ein Stück Kuchen verzehrten, benutzte die Kellnerin einen Handfeger, um die Scherben von den Tischen zu fegen und sie dann mit Besen und Kehrschaufel zu beseitigen.
Sowohl Paula als auch Jill griffen nach einem Stück Torte. Tweed lächelte verstohlen. Nichts beruhigte die Nerven besser als ein voller Magen.
»Ich bin ziemlich sicher, daß sie die Polizei angerufen hat«, sagte Tweed. »Wenn sie kommt, überlassen Sie mir das Reden.«
»Das kann mir nur recht sein«, sagte Paula.
»Mir geht es genauso«, sagte Jill zum drittenmal.
»Und jetzt habe ich noch Platz für ein Mandelhörnchen«, sagte Paula.
»Und ich werde Ihnen Gesellschaft leisten«, erklärte Jill.
»Da kommt die Polizei«, sagte Tweed, der gehört hatte, wie draußen ein Wagen vorfuhr.
Drei uniformierte Polizisten stürmten in den Raum. Ein großer, schwergebauter Mann, der ihr Vorgesetzter zu sein schien, ging auf die Frau zu, die das Glas zusammenfegte. Sie sagte ein paar Worte und deutete dann auf den Ecktisch.
»Sie sehen nicht sonderlich intelligent aus«, bemerkte Tweed.
»Um so besser.«
Der große Polizist näherte sich mit amtlicher Miene ihrem Tisch. Er zog ein Notizbuch aus der Tasche, wendete sich an Tweed und stellte seine Frage auf Deutsch.
»Soweit ich gehört habe, wurde auf Ihren Tisch geschossen.
Haben Sie die Täter gesehen?«
»Nein«, erwiderte Tweed. Er unterließ es, die Annahme des Polizisten, daß es sich um mehrere Täter gehandelt hatte, zu korrigieren. »Wir waren zu sehr damit beschäftigt, uns auf den Boden zu werfen.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, weshalb dieser Überfall stattgefunden hat?«
»Es könnte die Tschetschenen-Mafia gewesen sein«, erklärte Tweed mit unschuldiger Miene. »Den Zeitungen zufolge treibt sie inzwischen in ganz Europa ihr Unwesen. Vielleicht hat sie vor, hier in Salzburg ein System der Schutzgelderpressung aufzubauen. Sie überfällt ein Lokal, um die anderen zum Zahlen zu zwingen.«
Er konnte sehen, daß dem Polizisten diese Erklärung ganz und gar nicht gefiel. Er hatte aufgehört, sich Notizen zu machen, und zog seinen Gürtel hoch.
»Sie verfügen über Informationen über – diese Mafia?«
»Nicht die geringsten«, versicherte ihm Tweed. »Das ist nur eine Theorie. Ich habe davon in den Zeitungen gelesen.«
»Würden Sie mir bitte sagen, wie Sie heißen und wo Sie wohnen?«
»Wir wohnen überhaupt nicht in Salzburg. Wir haben nur eine kurze Kaffeepause eingelegt auf unserer Fahrt nach Hause«, log Tweed gewandt.
»Und wo sind Sie zu Hause?« fragte der Polizist.
»In London. Das gilt auch für die Damen.«
»Sie haben mir Ihren Namen noch nicht genannt«, sagte der Polizist im Befehlston.
»Mark Johnson«, sagte Tweed prompt. »Wenn Sie glauben sollten, daß wir Ihnen irgendwie behilflich sein können, dann irren Sie sich. Wir haben nicht gesehen, wer die Schüsse abgefeuert hat, wir haben nicht gesehen, aus was für einem Fahrzeug sie kamen, also können wir Ihnen auch nichts über die Automarke
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