Kalte Wut
Einheimischen nur aus dem Haus, wenn es unbedingt sein muß. Ich glaube nicht, daß heute noch eine weitere Menschenseele hier heraufkommt.«
»Was genau das ist, was ich gesucht habe«, bemerkte Newman.
34
»Sie haben Jill Seiborne ja ganz schön eingeheizt«, sagte Paula, als sie nach dem Frühstück in Tweeds Suite zurückgekehrt waren.
»Das Interessante daran war, daß sie mir so brillant Kontra gegeben hat«, erwiderte Tweed. »Mir ist immer noch nicht klar, weshalb sie hier ist, aber sie ist clever, sehr clever. Daran besteht nicht der geringste Zweifel.«
»Wo sind die anderen? Ich habe bisher weder Marier noch Butler oder Nield zu Gesicht bekommen.«
»Ich habe ihnen gesagt, sie sollten ausschlafen und sich das Frühstück aufs Zimmer bringen lassen. Sie hatten gestern einen sehr anstrengenden Tag. Sie werden bald kommen.« Er sah auf die Uhr. »Alle drei haben darauf bestanden, uns zu dem Treffen mit Palewski im Cafe Sigrist zu begleiten.«
»Sollten wir nicht bald aufbrechen?« Paula hatte gleichfalls auf die Uhr gesehen.
»In ein paar Minuten. Sie und ich – und Newman, falls er rechtzeitig zurückkommt – werden ein Taxi nehmen. Unsere Beschützer fahren mit ihren jeweiligen Wagen. Wir steuern auf eine große Klimax zu.«
»Und haben Sie eine Ahnung, wo sie stattfinden wird?«
»Ich weiß, wo sie stattfinden wird.«
Er drehte sich um und sah aus dem Fenster. Paula schürzte frustriert die Lippen. Dann sprang sie auf, weil in einem deutlichen Rhythmus an die Tür geklopft wurde. Es war Newman, und hinter ihm standen Nield und Butler.
»Wo ist Philip?« war Tweeds erste Frage.
»Irgendwo in der Altstadt. Ich konnte ihn nicht dazu bringen, mit mir zurückzukommen. Er ist überzeugt, daß er Lucien finden wird, wenn er nur lange genug nach ihm sucht. Er ist unerbittlich.«
»Wir sollten uns jetzt auf den Weg zum Sigrist machen. Hoffen wir, daß …«
»Palewski wird dort sein«, versicherte Newman ihm. »Wir haben ihn in der Nähe seiner Wohnung gesehen.« Er sagte absichtlich nicht, wo sich seine Wohnung befand – es waren zu viele Leute im Zimmer. Alle waren vertrauenswürdig, aber Newman hatte trotzdem das Gefühl, Palewskis Geheimnis wahren zu müssen. Sie waren schließlich Kollegen gewesen. »Palewski freut sich schon darauf, Sie kennenzulernen«, erklärte er.
»Dann also los.«
»Wir machen uns selbständig«, warf Nield ein. »Sie werden uns nicht sehen, aber wir sind in der Nähe.«
»Was ist mit Marier?« fragte Tweed.
»Oh, Marier! Der ist schon in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und verschwunden. Sagte, er wollte sich selbst einen Eindruck von der Gegend hier machen.«
»Wenn Walvis während unserer Abwesenheit anruft, um sich mit Ihnen zu verabreden«, bemerkte Newman, als Nield und Butler, von Paula zur Tür begleitet, das Zimmer verließen, »ist niemand da, der den Anruf entgegennehmen kann.«
»Dann bleibt ihm eben nichts anderes übrig, als es später noch einmal zu versuchen«, erwiderte Tweed, während er seinen Lammfellmantel anzog.
Newman ließ den Taxifahrer anhalten, sobald er die Brücke über die Salzach überquert hatte. Sie stiegen am Eingang zu der Gasse aus, in der Philip am Vorabend Lucien verfolgt hatte.
»Ihr beide geht auf dieser Seite der Promenade entlang«, sagte Newman, nachdem er den Taxifahrer bezahlt hatte. »Ich komme in einiger Entfernung nach und tue so, als sähe ich mir die Schaufenster an.«
Es waren nur wenige Leute unterwegs. Der morgendliche Stoßverkehr war bereits vorüber, und Newman vermutete, daß die starke Kälte – selbst für Salzburg ungewöhnlich, wie ihm der Hotelportier gesagt hatte – die Menschen in den Häusern hielt. Er holte Tweed und Paula ein, als sie die Arkade betraten, durch die man das Cafe Sigrist erreichte. Marier, Butler und Nield waren nirgends zu sehen, aber sie mußten in der Nähe sein. Newman war ein wenig nervös – vielleicht hielt Palewski es für zu gefährlich, die Verabredung einzuhalten.
Tweed ging voran und folgte einem Schild, das darauf hinwies, daß das Cafe sich im ersten Stock befand. Er eilte die gewundene Marmortreppe hinauf und gelangte in einen geräumigen, L–förmigen, auf den Fluß hinausgehenden Raum.
Paulas erster Eindruck von dem Cafe war der makelloser Sauberkeit. Die Wände waren bis zur halben Höhe getäfelt und darüber strahlend weiß gestrichen. Zu ihrer Linken entdeckte sie einen großen Tresen. In der Mitte des Raums standen Tische mit Marmorplatten, hinter
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