Kalte Wut
Rückendeckung gebe?« fragte Newman.
»Nein, danke. Das ist ein Job, den ich allein erledigen muß.
Lucien ist der Mann, der Jean gefoltert hat. Ich will selbst mit ihm abrechnen. Allein …«
Er wendete sich schnell ab, und Paula hatte den Eindruck, daß er Tränen in den Augen hatte.
Walvis, auf dem Rücksitz seines gepanzerten Mercedes sitzend, konnte sich vor Ungeduld kaum noch beherrschen. Sein Wagen befand sich in der Mitte der Fahrzeugkolonne. Vor ihm saß Gulliver am Steuer eines weiteren Mercedes, zusammen mit mehreren bewaffneten Männern, während in dem dritten Mercedes Martin neben dem Fahrer saß und auf den Rücksitzen weitere Bewaffnete.
Sie hatten die Grenze zwischen Österreich und Deutschland hinter sich und fuhren jetzt auf der Autobahn in Richtung München. Walvis war ungeduldig, weil in dieser Gegend mehr Schnee gefallen war, der jetzt gefroren war und auf der Fahrbahn tückische Eisflächen gebildet hatte. Er streckte die Hand aus und schob die gläserne Trennscheibe beiseite, die ihn von dem Fahrer und dem Wachmann neben ihm trennte.
»Können Sie nicht ein bißchen schneller fahren?«
»Nicht, wenn Sie wollen, daß ich Sie lebend nach München bringe, Sir«, erwiderte der Fahrer. »Diese Straße ist die reinste Eisbahn.«
»Das ist ein schwerer Wagen«, fauchte Walvis. »Er hat eine bessere Straßenlage als die meisten anderen Fahrzeuge. Geben Sie Gas und sehen Sie zu, was passiert.«
»Ich weiß, was dann passiert«, erklärte der Fahrer. »Bei höherer Geschwindigkeit prallen wir gegen die Leitplanke – es kann sogar sein, daß wir sie durchbrechen und auf der Gegenfahrbahn landen. Sehen Sie sich den Verkehr dort drüben an.«
Walvis tat es. Es herrschte dichter Verkehr, und die meisten Wagen fuhren für die Witterungsverhältnisse viel zu schnell. Die Bestätigung dafür kam wenige Minuten später, als sie eine Massenkarambolage auf der Gegenfahrbahn passierten.
Zahlreiche Polizeifahrzeuge standen herum und regelten den jetzt nur einspurigen Verkehr. Mit den Überresten der verbeulten und ineinander verkeilten Wagen sah die Unfallstelle aus wie ein Schrottplatz. Ärzte und Sanitäter versuchten, sich ihren Weg durch das Chaos zu bahnen.
Walvis schob die Trennscheibe wieder zu, seufzte, sackte auf seinem Sitz zusammen. Es würde früher Abend und bereits dunkel sein, wenn sie in wer weiß wie vielen Stunden in München ankamen.
Philip hatte eine halbe Ewigkeit damit verbracht, durch den Schnee in den Gassen der Altstadt zu stapfen. Da er sie inzwischen gut kannte, folgte er einer bestimmten Route, auf der er systematisch jede Straße, jeden Platz, jede Gasse absuchte.
Er dachte sogar kurz daran, mit der Seilbahn zur Festung hinaufzufahren, entschied sich dann aber dagegen. Wo immer Lucien sich verstecken mochte – er würde es nicht riskieren, auf dieser einsamen Plattform erwischt zu werden. Der Sturm, der eine Weile zuvor auf die Stadt zuzukommen schien, hatte sich wieder verzogen, und als die Nacht anbrach, sank die Temperatur noch weiter ab.
Philip war sich der beißenden Kälte kaum bewußt. Es waren nur so wenige Leute unterwegs, daß er sich sehr einsam vorkam, und seine Gedanken wanderten zurück zu Jean. Er erinnerte sich an den vorgetäuschten Unfall vor einem Jahr, wo sie auf der Fulham Road beinahe überfahren worden war, und daran, was sie zu ihm gesagt hatte, bevor sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde.
Wir werden ein normales Leben führen.
Damals hatte er vage gedacht, was für eine merkwürdige Bemerkung das war, aber er war so beschäftigt gewesen, so erleichtert darüber, daß er sie wieder mit nach Hause nehmen konnte, daß er das Fragezeichen in den Hintergrund seines Bewußtseins geschoben hatte.
Jetzt fühlte er sich schuldig, weil er, nachdem sie ihr Alltagsleben wieder aufgenommen hatten, sie nicht gefragt hatte, was sie damit gemeint hatte. Seit ihrem Tod war ihm völlig klar, daß sie gewußt hatte, daß sie in geborgter Zeit lebte und früher oder später sterben würde. Er wußte auch, daß sie ihn absichtlich nicht gewarnt hatte, weil ihr klar war, daß er vor Elend und Sorge krank werden würde, wenn er die Wahrheit wußte. Sie hätte um Schutz bitten können, aber sie war überzeugt gewesen, daß die Hand von Walvis nach ihr greifen würde, ganz gleich, wie viele Leute sie beschützten.
»Worauf es hinausläuft«, sagte er laut, aber ruhig, »ist, daß sie eine Frau von überaus ungewöhnlicher Charakterstärke war.
Obwohl sie wußte,
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