Kalte Wut
und ihn trotzdem richtig liebgewinnt. Ich nehme an, es war die Güte in ihm, die ich gespürt habe.«
»Und was wollten Sie mich fragen?«
»Sie sagten, Sie wissen, wer Teardrop ist. Glauben Sie, daß Sie je genügend Beweise gegen sie haben werden?«
»Das bezweifle ich sehr.«
»Dann kommt dieses gemeine, gierige Luder ungeschoren davon.«
»Das wird sich erweisen.«
»Ich wollte, Sie würden mir sagen, wer sie ist«, drängte Paula.
»Wenn es Rosa Brandt ist, dann sehe ich nicht, wie Sie sie finden, geschweige denn etwas gegen sie unternehmen können.«
»Dafür könnte es Mittel und Wege geben«, erwiderte Tweed vage. »Das ist einer der Gründe dafür, daß wir nach München fahren. Wenn Philip einsieht, daß seine Suche hoffnungslos ist, und rechtzeitig zurückkommt, dann möchte ich, daß wir noch heute abend fahren. Ich hoffe, inzwischen haben alle gepackt, damit wir schnell aufbrechen können.«
»Ja, das haben sie. Ich habe zuerst Newman und dann Butler und Nield angerufen.« Sie hielt einen Moment inne. »Sie werden wahrscheinlich wütend sein, aber ich habe Marier nicht erreicht.
Pete hat gesagt, er wäre Philip in die Altstadt gefolgt. Er meint, Bob hätte einen Fehler gemacht, als er Philip fragte, ob er ihn begleiten sollte.«
»Marier geht immer seine eigenen Wege. Die Mietwagen müssen auch zurückgegeben werden. Ich habe eine Filiale der Verleihfirma gesehen, als wir mit dem Taxi hierher kamen.«
»Sie sind alle davon ausgegangen, daß Sie das wollten. Sie haben alle ihre Fahrzeuge abgegeben.«
»Auch Marier?« fragte Tweed.
»Ich nehme es an. Jedenfalls ist er zu Fuß in die Altstadt gegangen. Welches ist der andere Grund dafür, daß wir nach München fahren?«
»Weil ich ziemlich sicher bin, daß auch Walvis dorthin unterwegs ist. Und jetzt vergessen Sie Teardrop.«
»Es sei denn, daß ich sie auf frischer Tat ertappe«, sagte Paula grimmig. »Dann erschieße ich sie, und zwar ohne die geringsten Skrupel.«
Philip war hundemüde. Er war seit Stunden auf den Beinen, wanderte noch immer durch die eiskalten Straßen und Gassen der Altstadt. Er ging noch einmal durch die Hauptstraße, in der er in dem kleinen Cafe eine Tasse Kaffee getrunken hatte. Jetzt war es geschlossen.
Eine Weile zuvor war er in Ziggy Palewskis Wohnung in der Brodgasse gewesen. Er war zufällig vorbeigekommen und hatte einen schnellen Entschluß gefaßt. Er wollte einem begabten und humanen Mann die letzte Ehre erweisen. Ein sentimentaler Akt, wie er sich selbst eingestand. Nein, eine Sache des Gefühls, dachte er, als er die ausgetretene Steintreppe hinaufstieg. Als er den Treppenabsatz erreicht hatte, war er wie angewurzelt stehengeblieben und hatte seine Walther gezogen. Die Tür zu Palewskis Wohnung stand offen – man hatte sie aufgebrochen.
Er war vorsichtig hineingegangen und hatte gefunden, womit er gerechnet hatte. Niemand da, und die Wohnung brutal durchwühlt. Herausgerissene Schubladen, weit offenstehende Schranktüren, der Inhalt der Schränke auf dem Fußboden verstreut. Palewskis Nachschlagewerke, im Laufe vieler Jahre zusammengetragen, herumgeworfen wie Müll.
»Schweine«, sagte er leise.
Aber es war logisch, ein weiterer Beweis für die Skrupellosigkeit und Effizienz von Walvis’ Organisation.
Zweifellos hatten sie das Manuskript seines Artikels über Walvis für den
Spiegel,
an dem er so lange gearbeitet hatte, mitgenommen und vernichtet. Ein trauriges Ende für das Lehen eines Mannes.
Er hatte die Wohnung verlassen und seine Wanderung wieder aufgenommen. Der Anblick der Wohnung hatte bewirkt, daß trotz seiner Erschöpfung neues Adrenalin ausgeschüttet wurde. Er ging langsam, sah sich häufig um, schaute von einer Seite zur anderen, warf Blicke in die geschlossenen Antiquariate und Konditoreien.
Mit den Gummisohlen an seinen Schuhen konnte er sich auf dem gefrorenen Schnee fast lautlos bewegen, aber es gab Stellen, an denen die Kopfsteine bloßlagen und er aufpassen mußte, weil sie mit Eis überzogen waren. Er wußte, daß er sich jetzt dem Eingang zu der Gasse näherte, in der die Gangster versucht hatten, ihn und Palewski umzubringen, und er sie mit Verbundsteinen außer Gefecht gesetzt hatte. Er warf einen Blick in die Gasse und blieb wie angewurzelt stehen.
Hinterher begriff er, daß es der logische Ort war, an dem er Ausschau halten mußte. Lucien war hier gewesen, als die Gangster über sie herfallen wollten. Also befand sich sein Versteck ganz in der Nähe. Schließlich war
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