Kalte Wut
nicht vermint«, sagte er. »Aber bevor Sie sagen, daß die Einfahrt damit ungeschützt ist, möchte ich Sie daran erinnern, daß wir im ersten Stock Maschinengewehre postiert haben, die jeden Quadratzentimeter der Einfahrt abdecken. Haben Sie sonst noch Fragen?«
»Ja. Gibt es einen Weg, auf dem Sie sich mit den Leuten in Verbindung setzen können, die die Regional Controllers umbringen sollten? Keine Nachricht ist nur allzu häufig schlechte Nachricht.«
»Nein, keinen einzigen.« Gullivers Geduld näherte sich ihrem Ende. »Ihnen ist ausdrücklich befohlen worden, keinerlei Kommunikationsmittel bei sich zu tragen. Weder Handys noch Funkgeräte. Ich habe alles verboten.«
»Weshalb?«
»Großer Gott, liegt das denn nicht auf der Hand? Diese Operation ist so wichtig, daß ich es nicht riskieren konnte, daß irgendwelche Gespräche abgehört werden. Schließlich wollen Sie doch, daß sie gelingt, oder?«
»Ja«, sagte Walvis ruhig. »Ich will, daß sie gelingt – und ich will außerdem, daß Sie aufhören, mich wie einen Schuljungen zu behandeln. Mir mißfallen Ihre Manieren –besser gesagt, Ihr Mangel an Manieren.«
»Das liegt daran, daß ich nie die Vorzüge Ihrer Bildung genießen konnte«, bemerkte Gulliver und verließ die Bibliothek.
Walvis war über seine Reaktion erfreut. In Cleaver Hall baute sich eine ständig wachsende Spannung auf. Er konnte es überall bemerken, wo die Männer dabei waren, die Verteidigungsanlagen zu verstärken. Sie ließen ihr Werkzeug fallen, gerieten sich über die trivialsten Dinge in die Haare. Die Atmosphäre war genauso, wie Walvis sie haben wollte – Männer unter Druck waren wachsamer. Die Dinge näherten sich ihrem Höhepunkt.
Nield hatte Rosa Brandt im Büro des Sicherheitschefs in Heathrow in Empfang genommen, ihren Arm ergriffen und mit ihr, von Corcoran geführt, alle Kontrollen umgangen.
Sobald sie in dem von ihm gemieteten Citroen neben ihm saß, hatte er ihr die Umhängetasche von der Schulter gezogen.
»Es ist sonst nicht meine Art, die Tasche einer Dame zu durchsuchen«, sagte er, »aber Sie könnten eine Waffe bei sich haben.«
»Kaum«, erwiderte sie auf Englisch, »nachdem dieser Bulle Kuhlmann mich durchsuchen ließ, bevor er mich in den Jet beförderte.«
Sie starrte geradeaus, als Nield ihr die Tasche zurückgab. Ihr übriges Gepäck lag im Kofferraum und konnte durchsucht werden, nachdem sie das Dolphin and Anchor erreicht hatten. Er hatte sämtliche Türen verriegelt. Von diesem Moment an sprach sie kein Wort mehr. Sie verließen London, erreichten das flache Land und setzten ihre Fahrt in Richtung Chichester fort.
Hin und wieder warf er einen Blick auf sie, aber sie starrte immer nur geradeaus. Sie bewegte sich nur, um die Position ihres Schleiers zu überprüfen und ihn ein wenig tiefer über ihr Gesicht herunterzuziehen. Nield empfand die Stille als unheimlich, fast aufreibend. Sie hatte etwas an sich, das überaus beunruhigend war.
»Wir nähern uns Petworth«, informierte er Tweed über sein Handy.
»Danke, daß Sie sich gemeldet haben. Halten Sie mich weiter auf dem laufenden …«
Tweed hätte ihm gern ein Dutzend Fragen gestellt. Hatte Rosa Brandt irgend etwas gesagt? Wie reagierte sie auf die Anspannung? Trug sie immer noch dieselbe Kleidung? Er hatte darauf verzichtet, auch nur eine einzige dieser Fragen zu stellen, weil er wußte, daß Nield mit jeder Situation fertig wurde.
»Ich will, daß es endlich losgeht«, sagte er in Gedanken. »Daß die Dinge zum Laufen kommen. Und das ist gefährlich. Die allerwichtigste Lektion, die ich neuen Mitarbeitern einhämmere, lautet: Nie etwas übereilen –außer, wenn es um Ihr Leben geht.«
»Das Warten kann einem auf die Nerven gehen«, sagte Paula.
Sie hatte ihn beobachtet, während er aus dem Fenster schaute, und seine Gedanken erraten. Der Ausblick auf den Regent’s Park war herrlich. An diesem kalten Dezembertag war die Luft sauber und der Himmel klar.
Newman war im Keller. Er war hinuntergegangen, um Philip beim Zusammenstellen weiterer Ausrüstungsgegenstände zu helfen. Es hatte eine Änderung des Plans gegeben, die die Benutzung anderer Waffen erforderte. Tweed stand nach wie vor am Fenster und kämpfte gegen seine Ungeduld, seine Zweifel, seine Angst an, als das Telefon läutete.
»Es ist Kuhlmann«, rief Monica.
Tweed nahm ihr den Hörer aus der Hand, froh, endlich etwas tun zu können.
»Ja, Otto?«
»Ich befinde mich in der Nähe der polnischen Grenze. Können Sie mich
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