Kalte Wut
vom Postamt aus angerufen um ganz sicher zu sein, daß niemand mithörte. Haben Sie von einem Projekt
Sturmflut
gehört?«
»Hört sich ziemlich beängstigend an«, bemerkte Paula, als sie gerade allein waren.
Sherwood hatte darauf bestanden, weitere Drinks zu kaufen. Er stand gerade an der Theke, als Newman am Eingang auftauchte, sich umschaute, schnell auf Tweeds Tisch zusteuerte und sich setzte.
»Ich habe die Runde durch München gemacht und ein Hotel nach dem anderen abgeklappert, um Philip Cardon zu finden. Ich habe es dort versucht, von wo aus er zuerst angerufen hat. Er war nicht da. Ich habe es mit den anderen Hotels versucht, in denen er gewesen ist, hatte aber auch dort kein Glück. Da ist übrigens etwas Merkwürdiges passiert, als dieser Sherwood durch einen Haufen Leute in Abendkleidung hinausstürmte …«
»Was ist passiert?« fragte eine Stimme hinter Newman.
Es war Sherwood, der mit einem Tablett voller Getränke lautlos von der Theke zurückgekehrt war. Tweed machte die Männer miteinander bekannt. Sherwood erbot sich, auch für Newman einen Drink zu holen, aber dieser lehnte höflich ab.
»Also, was ist passiert?« wiederholte Sherwood. »Ich war hinter einem Kerl her, der aussieht, als hätte er einen Buckel.«
»Ich kann Ihnen zumindest sagen, wie er heißt«, sagte Newman zu Sherwood. »Draußen stand ein Wagen mit laufendem Motor, in dem zwei Freunde – die reinsten Schwergewichtler – auf ihn warteten. Als der Buckel herausgerannt kam, riefen sie auf Deutsch: ›Schnell, Lucien, steig ein.‹ Der Wagen fuhr davon, bevor Sie draußen angekommen waren.«
»Lucien«, sagte Tweed nachdenklich. »Nun, zumindest kennen wir jetzt einen weiteren Namen.« Er wendete sich an Paula.
»Würden Sie bitte versuchen, Philip am Telefon zu erreichen?
Vielleicht ist er inzwischen zurück. Bob kann Ihnen seine Nummer geben. Sagen Sie ihm, daß ich neue Informationen habe, daß ich bereit bin, ihn an jedem Ort seiner Wahl zu treffen, möglichst noch heute abend. Vielleicht ist Ihre Überredungskunst größer als meine.«
Newman hatte bereits die Nummer auf einen Zettel geschrieben. Er faltete ihn zusammen und reichte ihn Paula, die sofort damit verschwand.
»Und nun«, sagte Tweed zu Sherwood, »erzählen Sie uns alles, was Sie über dieses Projekt Sturmflut wissen.«
Walvis saß mit einer Miene des Abscheus hinter seinem Schreibtisch. Rosa hatte sich, wie üblich mit ihrer schwarzen Kappe und ihrem Schleier, in einer Ecke niedergelassen und hielt einen Block auf dem Schoß, bereit, sich Notizen zu machen. Das Objekt des Abscheus stand auf der anderen Seite von Walvis’ Schreibtisch. Die Typen, mit denen ich zusammenarbeiten muß, dachte Walvis.
Lucien stand gebückt mit vorgeschobenem Kopf da. Er war gerade eintroffen und offensichtlich sehr aufgeregt.
»Also, was ist so wichtig, daß Sie es mir sofort mitteilen müssen?«
»Ich habe zwei der Leute aufgespürt, die wir suchen. Diesen Tweed und Robert Newman. Ich bin sofort in den Wagen gesprungen, um es Ihnen zu sagen, bevor sie verschwinden …«
»Wohin verschwinden? Nun reden Sie schon«, fuhr Walvis ihn an.
»Sie sitzen an einem Ecktisch in der Bar des Bayerischen Hofs und unterhalten sich mit einem Mann und einer Frau, die ich nicht kenne …«
»Sind Sie sicher?«
»Hier sind ihre Fotos«, sagte Lucien mit einem Anflug von Triumph in der Stimme.
Gulliver, eifrig darauf bedacht, seine Position zu sichern, hatte sich sehr beeilt, die Standfotos von dem in Cleaver Hall gedrehten Film herstellen zu lassen. Außerdem hatte er sie mit einem Höchstmaß an Geschwindigkeit an Walvis’ Truppen verteilen lassen. Lucien deutete mit einem langen, klauenähnlichen Finger auf eines der Fotos.
»Das ist Tweed …«
»Ihr Sehvermögen ist bemerkenswert«, bemerkte Walvis trocken.
»Und das hier ist Newman …«
»Nehmen Sie die Fotos wieder an sich und setzen Sie die Suche nach den anderen beiden Männern fort. Und zwar auf der Stelle …«
Sobald Lucien gegangen war, drückte Walvis auf einen Knopf seiner Gegensprechanlage. Mit einem Kopfnicken zu Rosa gab er seiner Genugtuung Ausdruck.
»Schicken Sie Kahn herein«, befahl er.
Eine andere Tür wurde geöffnet, und Leo Kahn erschien. Er musterte seinen Boß mit seiner üblichen undurchdringlichen Miene. Kahns Hals schmerzte noch immer von seiner Begegnung mit Marier in der Nähe von Cleaver Hall, aber jetzt trug er anstelle des Verbandes den weißen Kragen eines Geistlichen. Er veränderte
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