Kalte Wut
Glas trockenen französischen Weißwein.«
»Mineralwasser für mich«, sagte Tweed. »Wir werden uns diesen Ecktisch dort schnappen.«
»Schnappen?« Sherwood kicherte. »Der Laden ist leer. Das erinnert mich an ein Restaurant, wo ich den Kellner gefragt habe, ob er mit einem hektischen Abend rechnete. Er sagte, das Lokal wäre brechend leer. Setzen Sie sich, ich hole die Drinks.«
»Ich finde ihn amüsant«, bemerkte Paula, nachdem sie ihre Mäntel ausgezogen und sich an dem Tisch niedergelassen hatten.
»Und er sieht recht gut aus.«
»Ich verlange nicht von Ihnen, daß Sie ihn verführen«, sagte Tweed mit gespielter Empörung.
»Schade. Ich wüßte zu gern, ob er herausgefunden hat, was aus seinem Partner Parker geworden ist.«
»Wir werden ihn fragen.«
Tweed hatte sich für den Stuhl in der Ecke entschieden, von dem aus er mit dem Rücken zur Wand die ganze Bar überblicken konnte. Er war noch immer in einer fast übermütigen Stimmung.
Er wartete, bis Sherwood mit den Drinks eingetroffen war und jeder einen Schluck getrunken hatte.
»Zum Wohl«, sagte Sherwood. »Und danach noch eine Runde.
Und die geht auch auf mich, bitte.«
»Irgend etwas Neues über Parker?« fragte Tweed.
Sherwoods Miene veränderte sich, wurde grimmig. Er setzte sein Glas behutsam ab und schwieg einen Moment, wobei er Tweed musterte.
»Ich glaube, Ihnen kann ich es sagen«, erklärte er schließlich.
»Ich habe ein Foto von Parker mitgebracht, das ich mir von seiner Frau ausgeliehen hatte. Ich habe es dem Personal hier gezeigt. Hat nichts gebracht. Doch darin hatte ich Glück. Ich zeigte es einem Kellner, der gerade seinen Dienst angetreten hatte. Vor sechs Tagen stand er gerade draußen, um rasch eine Zigarette zu rauchen. Er sah, wie Parker mit einem Mann herauskam, dann wurde er von zwei weiteren Männern gepackt und in einen Wagen gestoßen. Sie lachten, als wäre das alles ein großer Witz – vermutlich des Kellners wegen. Der Wagen schoß los, und seither hat ihn niemand mehr gesehen. Ich habe eine gute Beschreibung des Mannes, der ihn hinausgelockt hat. Klein, breitschultrig, ständig gebückt gehend. Der Kellner sagte, er hätte ausgesehen, als hätte er einen Buckel. Dunkles, fettiges Haar und einen von diesen Schnurrbärten, die beiderseits des Mundes herunterhängen.
So.«
Er benutzte seinen Zeigefinger, um an beiden Seiten seines eigenen Mundes einen Bogen zu beschreiben. Tweed starrte auf den Eingang. Dort stand ein Mann, auf den diese Beschreibung erstaunlich genau zutraf. Er trug einen schwarzen, schlecht sitzenden Anzug. Seine Augen wanderten über ihren Ecktisch, übergingen Paula, blieben auf Tweed haften.
»Sherwood«, sagte Tweed leise, »werfen Sie rasch einen Blick zum Eingang …«
Sherwood hob sein Glas, als wollte er trinken, schob seinen Stuhl zurück, stellte das Glas auf den Tisch und drehte sich um.
Dann war er blitzschnell auf den Beinen. Die gebückte Gestalt an der Tür verschwand. Sherwood rannte ihr nach und verschwand gleichfalls.
»Das nenne ich einen merkwürdigen Zufall«, erklärte Paula.
»So etwas passiert gelegentlich, wenn man die Augen offen hält.«
»Was Sie tun«, sagte sie. »Mir ist aufgefallen, daß er sich überhaupt nicht für mich interessierte, Sie aber eingehend gemustert hat.«
»Das stimmt. Was darauf hindeutet, daß er mich wiedererkannt hat, aber nicht Sie.«
»Wie kann das sein?«
»Erinnern Sie sich an den Abend bei Cleaver Hall. Es ist durchaus möglich, daß dieser Mann mit der Kamera im ersten Stock noch immer filmte, als wir am Tor vorbeifuhren.«
»Aber der Wagen fuhr doch sehr schnell …«
»So schnell nun auch wieder nicht. Er war gerade erst angefahren, als wir das Tor passierten.«
»Aber ich habe auch in dem Wagen gesessen«, wendete sie ein.
»Auf der dem Haus abgewandten Seite und durch mich verdeckt«, erklärte er. »Vorsicht, unser Freund kommt zurück. – Glück gehabt?« fragte er Sherwood, als der hochgewachsene Mann sich wieder gesetzt hatte.
»Nein, Pech. Es kam gerade ein ganzer Haufen Leute in Abendkleidung herein, vermutlich zu irgendeinem Empfang. In diesem Gewühl ist er mir entwischt, und als ich mich bis auf die Straße durchgedrängt hatte, war er nicht mehr zu sehen.«
»Haben Sie sonst noch etwas herausgefunden, seit Sie hier sind?« fragte Tweed.
»Als ich noch dem Geheimdienst angehörte, war ich hier in Deutschland stationiert. Damals habe ich mir eine Menge gute Kontakte geschaffen. Etliche davon habe ich
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