Kalte Wut
Bruchstück«, fuhr Sherwood fort. »Angeblich gibt es irgendwo in der Nähe der Grenze zu Tschechien ein Trainingszentrum für Flüchtlinge. Den Gerüchten zufolge gibt es dort ein Selektierungssystem, mit dem aus dem Strom der aus dem Osten kommenden Flüchtlinge die intelligentesten herausgefiltert werden. Ergibt keinen Sinn.«
»Noch mehr Gerüchte?« erkundigte sich Tweed.
»Ja. Wer immer das Projekt Sturmflut leitet – sofern es überhaupt existiert – bringt Schlüsselfiguren in Politik und Wirtschaft um. Eines der Opfer soll ein Boß der Tschetschenen–Mafia in Moskau gewesen sein. Es heißt sogar, jemand hätte die Tschetschenen-Mafia übernommen – die übelste und zugleich die mächtigste der Mafia-Vereinigungen. Angeblich hat man ihr Unterstützung für eine unabhängige und vergrößerte Republik versprochen.«
»Tschetschenien im Kaukasus«, sinnierte Tweed. »Ein Land, dessen Selbständigkeit von Rußland nicht anerkannt wird.«
»Angeblich sind es Tschetschenen, die diese Trainingslager leiten. Vermutlich nur ein weiteres Gerücht.«
»Wissen Sie noch mehr?« fragte Newman.
»Ja. Ich habe außerdem gehört, daß Unmengen modernster Waffen in den Westen eingeschmuggelt werden, darunter auch atomare Sprengköpfe. Sie sollen zum Teil aus den riesigen Beständen stammen, die die Russen für harte Dollars verkaufen, und zum Teil zum Besten gehören, das amerikanische Waffenhändler zu verkaufen haben. Das alles soll angeblich zum Errichten einer neuen gesellschaftlichen Ordnung dienen. Und das kann ich auch nicht glauben.«
»Haben Sie irgend etwas darüber gehört, wer diese gewaltige Operation organisiert? Irgendwelche Hinweise auf Walvis?«
drängte Tweed.
»Nicht das geringste. Natürlich leitet er sein eigenes riesiges Unternehmen mit größter Geheimhaltung. Verräter verschwinden einfach und werden später in der Donau treibend aufgefunden.«
»Schon wieder die Donau«, bemerkte Tweed.
»Ich glaube, das ist alles, was ich Ihnen erzählen kann«, schloß Sherwood.
»Sieh mal einer an«, bemerkte Newman. »Wen haben wir denn da? Eine interessante Dame, die ich in London kennengelernt habe. Und sie hat ihre Frisur geändert.«
Er stand auf, als eine Frau in einer dunkelblauen Jacke, einer weißen Rüschenbluse und einem Minirock auf ihren Tisch zusteuerte.
»Darf ich vorstellen –Jill Seiborne, Modeberaterin …«
Nachdem alle sich vorgestellt hatten, setzte sich Jill auf den Stuhl, den Newman schnell von einem anderen Tisch geholt hatte.
Er schaffte es vor Sherwood, der dieselbe Absicht gehabt hatte.
Jetzt setzte sich Sherwood wieder hin und musterte Jill lächelnd.
Paula, die sich erinnerte, wie er sie im Büro am Park Crescent beäugt hatte, war amüsiert. Captain Sherwood war eindeutig ein Mann, der sich gern alle Optionen offenhielt. Ihre neue Frisur, die Newman aufgefallen war, erinnerte Paula an einen schwarzen Helm. Nachdem sie Newman für den Stuhl gedankt hatte, wendete sie sich an Paula.
»Ich störe doch hoffentlich nicht?«
»Ganz im Gegenteil«, erwiderte Paula mit einem herzlichen Lächeln. »Bisher war ich zu sehr in der Minderheit.«
»Was möchten Sie trinken?« fragte Newman, bereits aufstehend.
»Ein Glas trockenen Weißwein, bitte, möglichst französischen.«
»Das ist meine Party«, protestierte Sherwood. »Die Getränke sind meine …«
»Diesmal nicht.« Newman legte eine Hand auf Sherwoods muskulöse Schulter und drückte ihn wieder auf seinen Stuhl hinunter.
»Soviel Aufmerksamkeit«, rief Jill. »Ich bin überwältigt.«
Bist du nicht, dachte Paula. Du leckst sie auf wie eine Katze die Sahne. Sie lächelte abermals und begann eine Unterhaltung mit Jill. Sherwood öffnete den Mund, um zu sprechen, und machte ihn dann schnell wieder zu.
»Sie sind Modeberaterin? Das klingt nach einem sehr interessanten Beruf. Finden zur Zeit in München viele Vorführungen statt?«
»Keine einzige«, erwiderte Jill, schob ihren Stuhl zurück und schlug die langen Beine übereinander. »Aber das spielt keine Rolle. In dieser Stadt gibt es eine Menge Geld und ein paar erstklassige Modegeschäfte. Ich werde herumwandern und feststellen, was gekauft wird und was nicht. Das hilft mir, künftige Trends vorherzusagen.«
»Ihr Kostüm gefällt mir«, fuhr Paula fort.
»Ach, das ist nichts Besonderes. Hat natürlich eine Kleinigkeit gekostet, aber das ist einer der Nachteile meines Berufs. Ich muß ein Vermögen für Kleidung ausgeben, um den Schein zu wahren.
Wenn
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