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Kalte Wut

Kalte Wut

Titel: Kalte Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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wissend, daß, wenn die Dosis ständig erhöht wurde, der Moment kommen würde, in dem ihr Herz aufhörte zu schlagen. Ich habe das Diamorphin zugelassen, und ich kam mir vor wie ihr Mörder.«
    »Ich auch«, sagte Philip, immer noch flüsternd. »Und dann …«
    »Sie wissen es vermutlich. Die Totenwache. Sie sitzen in dem Zimmer und beobachten sie – beobachten sie und noch etwas anderes. Sie haben sie nicht nur an den Diamorphin-Tropf angeschlossen, sondern auch an eine Maschine, die ihre Pulsfrequenz registrierte. Die normale Pulsfrequenz sind neunzig Schläge pro Minute. Die Maschine zeigte neunzig an. Helga lag in tiefem Schlaf. Die Pulsfrequenz sank auf fünfundachtzig, dann auf achtzig. Ich war alarmiert. Die Schwester, die auf sie aufpaßte, sagte, sie würde wieder auf neunzig steigen. Sie stieg wieder. So ging es viele Stunden lang weiter.«
    »Ich weiß. Die Totenwache«, sagte Philip fast zu sich selbst.
    »Ich war hundemüde«, fuhr Kuhlmann fort. »Sie hatten mir im Krankenhaus ein Bett in einem anderen Privatzimmer gegeben …«
    »Mir auch«, sagte Philip.
    »Ich habe nicht viel Zeit in meinem Zimmer verbracht. Ich mußte bei Helga sein. Dann, am Abend, sank die Zahl der Maschine auf vierzig. Die Schwester warf mir einen Blick zu, versuchte nicht mehr, mich zu beruhigen. Plötzlich starrte ich auf die Maschine, und der Bildschirm war leer. Sie war gestorben.«
    »Ich weiß – es sehr zu würdigen – jemanden zu kennen, der wirklich versteht«, murmelte Philip.
    »Sind Sie seither wieder in Ihrer Wohnung oder Ihrem Haus gewesen?« fragte Kuhlmann.
    »Nicht in dem Haus, das sie geliebt hat. Noch nicht.«
    »Dann hat ihre Heimsuchung gerade erst begonnen. Sonst lebt niemand in dem Haus? Ich verstehe. Bei mir war es genauso. Ich hatte Angst davor, dorthin zurückzukehren, was so viele Jahre lang unser Zuhause gewesen war. Es kam mir vor wie ein Grab – so entsetzlich leer. Sie werden feststellen, daß es lange Zeit eine Qual für Sie sein wird, an diesen Ort zurückzukehren. In der Abgeschiedenheit dieses leeren Hauses werden Sie sehr oft weinen. Ich kann Ihnen keinen Trost anbieten – nicht den geringsten.«
    »Danke, daß Sie die richtigen Worte gesagt haben.« Philip erhob sich langsam. »Ich glaube, ich gehe jetzt in mein Zimmer.«
    Er holte seinen Rucksack aus dem Schrank.
    Kuhlmann betrachtete ihn, sagte aber nichts und unterließ es zu fragen, was sich darin befand.
    »Ich weiß, wer Jean umgebracht hat«, erklärte er Kuhlmann.
    »Ich habe ihn gesehen. Ich habe einen Job zu erledigen …«
    Tweed tat einen Schritt auf Philip zu, aber Kuhlmann streckte eine Hand aus, ergriff Tweeds Arm und hielt ihn zurück. Philip verließ den Raum.
    »Lassen Sie ihn gehen«, sagte Kuhlmann. »Er braucht jetzt etwas, womit seine Gedanken sich beschäftigen können. Der Autofahrer, der Helga angefahren hat, wurde nie gefunden. Wenn ich ihn je ausfindig machen sollte, werde ich ihn mit meinen bloßen Händen erwürgen.«

21
    Kurz nach Kuhlmanns grimmigen Worten hatte Newman Tweeds Suite verlassen. Auch Marier, Nield und Butler hatten sich in ihre Zimmer begeben, um zu duschen und sich umzuziehen. Die Unterhaltung hatte Newman unruhig gemacht.
    Er erinnerte sich an die Zeit vor etlichen Jahren, während des Kalten Krieges, als seine eigene Frau im Baltikum ermordet worden war, und wie er sich vorgenommen hatte, ihren Tod fast auf die gleiche Weise zu rächen, wie Philip es jetzt versuchte. Der einzige Unterschied – ein sehr großer Unterschied – hatte darin bestanden, daß seine Ehe kurz und turbulent und nahe daran gewesen war, zu zerbrechen.
    Er fuhr hinunter ins Foyer und machte sich auf den Weg ins Hauptrestaurant. Im Foyer saßen nur wenige Leute, und er hatte den Restauranteingang fast erreicht, als ein Hauch teuren Parfüms in seine Nase driftete und eine Hand seinen Arm berührte. Er fahr herum.
    »Da soll mich doch der Teufel holen!«
    Lisa Trent, die reizvolle Blondine, die er im Bistro in Bosham kennengelernt hatte, lächelte ihn an. Rechercheurin in Finanzsachen, Detektivin und Betrügerin hatte sie sich selbst genannt. Sie trug ein enganliegendes, hochgeschlossenes grünes Kleid mit einem schmalen Goldgürtel um die schlanke Taille.
    »Das ist nicht gerade die Art von Begrüßung, auf die ich gehofft hatte«, sagte sie und schürzte die Lippen.
    »Pure Überraschung und Freude«, erwiderte er mit einem Lächeln.
    »Ich wollte Sie um einen großen Gefallen bitten.« Sie trat näher an ihn

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